Trotz der beendeten Griechenland-Rettung ist noch immer keine Erholung in Sicht
Am 20. August verließ Griechenland offiziell den dreijährigen EU-Rettungsschirm, den es damals akzeptierte, als es kurz vor dem Bankrott stand, und die Ausgrenzung aus der Eurozone drohte. Während es das Ende einer achtjährigen Finanzkrise und zahlreicher Sparmaßnahmen darstellt, bedeutet der Ausstieg aus dem internationalen Rettungspaket dennoch keine rasche Erholung.
Trotz der beendeten Griechenland-Rettung ist noch immer keine Erholung in Sicht
Am 20. August verließ Griechenland offiziell den dreijährigen EU-Rettungsschirm, den es damals akzeptierte, als es kurz vor dem Bankrott stand, und die Ausgrenzung aus der Eurozone drohte. Während es das Ende einer achtjährigen Finanzkrise und zahlreicher Sparmaßnahmen darstellt, bedeutet der Ausstieg aus dem internationalen Rettungspaket dennoch keine rasche Erholung.
Am 20. August ist Griechenland offiziell aus dem dreijährigen EU-Rettungsplan ausgetreten , den es in Anspruch genommen hat, als es kurz vor dem Bankrott stand und ein Ausstieg aus der Eurozone drohte.
Im Juni hatte man sich auf die Beendigung des Programms geeinigt , das sowohl einen Schuldenerlass als auch ein an bestimmte Bedingungen geknüpftes Liquiditätspuffer von 24,1 Milliarden Euro umfasste. Während dies das Ende der achtjährigen Finanzkrise und mehrerer Sparmaßnahmen einleitet, bedeutet der Ausstieg aus dem internationalen Hilfsprogramm dennoch keinerlei schnelle Erholung.
Die griechische Wirtschaft steht auch weiterhin vor großen Herausforderungen. Das zeigen Statistiken und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kreditgebern des Landes.
Seit Mai 2010 haben die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland insgesamt 288,7 Milliarden Euro im Rahmen von drei verschiedenen Programmen zur Verfügung gestellt, darunter 256,6 Milliarden Euro aus EU-Ländern. Im Rahmen der ersten Rettungsaktion, die am 2. Mai 2010 vereinbart wurde, erhielt Griechenland 73 Milliarden Euro über die Greek Loan Facility (GLF), ein speziell zu diesem Zweck geschaffener Mechanismus, der von den Ländern der Eurozone und dem IWF finanziert wurde.
Im Rahmen des im März 2012 vereinbarten zweiten Programms haben die EU und der IWF weitere 153,8 Milliarden Euro bereitgestellt. Dafür hat die EU das Geld über die Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) kanalisiert, die im Juni 2010 als Not-Rücklaufsperre eingerichtet wurde. Nach einer sechs Monaten andauernden gespannten Situation zwischen den griechischen Gläubigern und der Regierung von Alexis Tsipras und seinem Finanzminister Yanis Varoufakis, der im Januar 2015 an die Macht kam, wurde im Juli 2015 ein dritter Rettungsplan vereinbart.
Obwohl 86 Milliarden Euro vorgesehen waren, endete das dritte Programm am Montag, bis zu dem 61,9 Milliarden Euro über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ausgezahlt wurden, der als permanenter Notfallfonds der Eurozone im Oktober 2012 eingerichtet wurde.
Die letzte Auszahlung in Höhe von 15 Milliarden Euro erfolgte am 6. August. Der IWF nahm an der letzten Rettungsaktion nur als Unterstützungs-Institution teil, ohne Geld zu verleihen. Seitdem warnt die in Washington ansässige Institution vor künftigen Risiken für Griechenlands Schulden.
Bei der dritten Rettungsaktion haben sich der IWF, die europäischen Gläubigerinstitutionen (die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank, die ESM) und die Finanzminister der Eurozone auf eine Reihe von Schuldenerlass-Maßnahmen geeinigt. Das Ziel war nicht, die Höhe der Schulden selbst zu reduzieren. Dies war im Jahr 2012 geschehen, als private Gläubiger durch eine Schuldenabschreibung – auch „haircut“ (Haarschnitt) genannt – mehr als 100 Milliarden Euro verloren. Die Folge war jedoch, dass die Investoren davor zurückschreckten, Griechenland oder anderen gefährdeten Ländern der Eurozone mehr Geld zu leihen.
Ziel war es vielmehr, die Schuldenlast für die griechischen Finanzen zu reduzieren. Im Jahr 201 7 und im vergangenen Juni beschlossen die griechischen Gläubiger Maßnahmen zur Begrenzung von Zinsschwankungen, Verlängerung der Laufzeiten – Aufschub bei der Rückzahlung von Krediten – und die Übernahme früherer Kredite durch den ESM.
„Wir können mit Sicherheit sagen, dass die Verschuldung Griechenlands zukunftsfähig ist“, erklärte der Präsident der Euro-Gruppe, Mario Centeno, nach dem Treffen am 21. Juni, bei dem alle Maßnahmen für die Zeit nach dem Programm beschlossen wurden. Derzeit sind sich IWF und Europäische Kommission über die positive Wirkung von Entschuldungs-Maßnahmen einig. Beide prognostizieren, dass die griechische Verschuldung in diesem Jahr bei 188 Prozent des BIP und im Jahr 2020 bei 169 Prozent liegen wird. Der Fonds meint, dass die Schulden bis 2023 auf 151,3 Prozent sinken werden, während die Kommission einen weiteren Rückgang auf 136 Prozent im Jahr 2030 erwartet – oder 149 Prozent unter einem „negativen Szenario“.
Die beiden Institutionen sind sich jedoch nicht einig über die langfristige Tragfähigkeit der griechischen Schulden. Für die Kommission kann die Verschuldung auf knapp 128 Prozent des BIP im Jahr 2040, 125 Prozent im Jahr 2050 und wieder auf 127 Prozent im Jahr 2060 sinken. Im vergangenen Monat warnte der IWF, dass „es schwierig sein könnte, den Marktzugang ohne weiteren Schuldenerlass längerfristig aufrechtzuerhalten“.
Zwar lieferte er keine langfristigen Prognosen, sagte aber, dass die Schuldenquote „ab etwa 2038 ununterbrochen ansteigen würde“. Die Warnung löste eine heftige Reaktion der Kommission aus, die argumentierte, dass „der IWF in seinen Prognosen, die er in der Vergangenheit auch für Griechenland nach oben korrigieren musste, anhaltend pessimistisch war“.
„Wir als Europäer haben das Programm finanziert und sind zu dem Schluss gekommen, dass der Schuldenerlass ausreichend ist“, betonte er. Auf jeden Fall haben die Gläubiger im Juni vereinbart, die Schulden Griechenlands im Jahr 2032 zu kontrollieren und zu prüfen, „ob zusätzliche Schulden-Maßnahmen erforderlich sind“.
Einer der Hauptstreitpunkte zwischen IWF und EU – und einer der wichtigsten Indikatoren für die Wirtschafts- und Sozialpolitik Griechenlands – ist der primäre Haushaltsüberschuss. Der Primärüberschuss ist der positive Haushaltssaldo eines Landes, bevor der Staat seine Schuldzinsen zahlt. Das gibt dem Land die Möglichkeit, seine Schulden zurückzuzahlen, ohne die Ausgaben zu kürzen oder noch mehr zu leihen.
Das Erreichen eines hohen Primärüberschusses erfordert jedoch Anstrengungen. Im Rahmen des Rettungsprogramms ist Griechenland verpflichtet, bis 2022 einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent des BIP zu erzielen. Dann muss Griechenland nach Angaben der Euro-Gruppe seinen Primärüberschuss „im Zeitraum von 2023 bis 2060 im Durchschnitt bei 2,2 Prozent“ halten, damit seine Verschuldung auch weiterhin zukunftsfähig ist.
Die Kommission erklärte in einem Bericht im Juni, sie rechne damit, dass der Primärüberschuss bis 2022 über vier Prozent betragen werde. Aber für den IWF „geht das Erreichen der hohen Primärbilanz-Ziele zu Lasten des Wachstums, auch durch hohe Steuern und eingeschränkte Sozial- und Investitionsausgaben“. „Die Aufrechterhaltung der angestrebten hohen primären Haushaltsüberschüsse birgt erhebliche politische und rechtliche Risiken“, betonte der Fonds.
Unter den Rettungs-Bedingungen werden bei der Berechnung des griechischen Überschusses bestimmte Einnahmen und Ausgaben nicht berücksichtigt, darunter migrationsbedingte Ausgaben, einmalige Nettoausgaben im Zusammenhang mit der Unterstützung des Bankensektors, Einnahmen aus dem Verkauf von Immobilien und Einnahmen aus dem Besitz griechischer Staatsanleihen der nationalen Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets, die an Griechenland zurückgegeben wurden.
Aber – im Vergleich zu anderen EU-Ländern – bleiben die Ziele für Griechenland recht hoch. Für die 19 Länder der Eurozone wird im Jahr 2018 beispielsweise ein durchschnittlicher Überschuss von 1,2 Prozent des BIP und im Jahr 2019 1,1 Prozent erwartet.
„Fragt man mich als Wirtschaftsexperte, ist der Haushaltsüberschuss zu hoch“, gab der griechische Finanzminister Euclid Tsakalotos im Juli zu . Er fügte jedoch hinzu, dass „es eine empirische Frage“ war, d.h. eine, die nur der Test der Zeit beantworten wird. „Die griechische Regierung und die Finanzminister werden dies prüfen, um zu sehen, ob der IWF Recht hat und es ein Problem mit der Nachhaltigkeit gibt“, fügte Tsakalotos hinzu.
„Es geht darum, Griechenland auf dem Weg zum Erfolg zu begleiten“, meinte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici im Juli in Athen. Für die EU wird es entscheidend sein, dass Griechenland ein nachhaltiges Wachstum erreicht, um eine neue Krise und einen neuen milliardenschweren Unterstützungsplan zu vermeiden.
Wachstumsstrategie
Im Rahmen der Beendigung des Rettungsprogramms legte die griechische Regierung eine Wachstumsstrategie vor. Dieser Plan konzentriert sich darauf, die „vergleichsweisen Vorteile“ des Landes zu nutzen – Landwirtschaft und Nahrungsmittel, verarbeitende Industrie, Tourismus, Energie –, und gleichzeitig ausländische Investitionen in Sektoren wie Infrastruktur und Forschung zu erleichtern.
„Wir haben von nun an eine seriöse Regierungspolitik, die nachhaltiges Wachstum groß schreibt und unsere Wachstumsstrategie ernst nimmt“, sagte Tsakalotos in seinem Interview. „Ich denke, es ist alles für die Zukunftsfähigkeit vorbereitet.“ Der Plan wurde im Juni überarbeitet, nachdem die Finanzminister der Eurozone die frühen Versionen als „nicht spezifisch genug“ eingestuft hatten.
In einem im Juli veröffentlichten Bericht kam der IWF jedoch zu dem Schluss, dass „mehr Einzelheiten erforderlich sind, um das Potenzial [der Wachstumsstrategie] voll auszuschöpfen, und einen Fahrplan für ein höheres nachhaltiges Wachstum zu erstellen“. Der Fonds wies darauf hin, dass im Rahmen des Plans einige der jüngsten Arbeitsreformen zurückgenommen würden. „Dies wird die Flexibilität des Arbeitsmarktes verringern, das Risiko einer Trennung der Verbindung zwischen Produktivität und Löhnen steigern, und Arbeitsplätze gefährden“, heißt es darin.
Ferner stellte er fest, dass „es unklar ist, wie das wichtige Ziel, die Jugendbeschäftigung zu erhöhen, mit der Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns vereinbar ist, zumal die Arbeitslosigkeit immer noch sehr hoch ist“. Der IWF bedauert auch, dass „über die Verpflichtung zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung hinaus keine Einzelheiten darüber bekannt gegeben werden, wie nach dem Rettungsprogramm ein wachstumsfreundliches Politik-Programm erreicht werden kann, wenn gleichzeitig die Primärsaldo-Ziele eingehalten werden sollen“. Infolgedessen schwanken die Wachstumsprognosen zwischen der EU und dem IWF.
Der Fonds erwartet kurzfristig ein stärkeres Wachstum, sieht aber nach 2020 einen Rückgang auf 1,2 Prozent im Jahr 2023, während die Europäische Kommission eine längere (wenn auch verlangsamte) Dynamik mit 1,8 Prozent im Jahr 2022 sieht.
Verstärkte Überwachung
Mit dem Ende der Rettungsaktionen hat die EU auch darauf bestanden, dass die derzeitige und die künftige griechische Regierung ihre Verpflichtungen erfüllen sollte. „Es wird keine Rücknahme geben, wenn nicht mit der Euro-Gruppe diskutiert wird“, warnte ein EU-Beamter.
Um die Zuverlässigkeit Griechenlands zu gewährleisten, hat die EU das Land einem speziellen Mechanismus unterstellt: Dem so genannten verstärkten Überwachungsrahmen (Enhanced Surveillance Framework). Die EU-Vertretungen in Athen werden alle sechs Monate darüber berichten, wie die Regierung in Bereichen wie Steuer- und Strukturpolitik, Soziales, Finanzstabilität, Arbeits- und Produktmärkte, Privatisierung und öffentliche Verwaltung vorgeht. Diese Kontrolle wird voraussichtlich bis 2022 – und bei Bedarf auch länger – dauern.
Diese „verstärkte Überwachung soll Griechenland dabei helfen, Vertrauen bei Märkten, Investoren und Unternehmen aufzubauen: Sie alle wollen Stabilität und Vorhersehbarkeit“, erklärte der Vize-Präsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, als er den Mechanismus vorstellte. Nach acht Jahren hat Griechenland das vollumfängliche Krisenmanagement hinter sich gelassen. Aber es ist weit von einer wahrhaftigen Genesung entfernt. „Die Erholung Griechenlands ist kein Ereignis, sondern ein Prozess“, schlussfolgerte Moscovici.
https://euobserver.com/economic/142517