Portugal und Schweden tauschen die Rollen
Lissabon und Stockholm haben sich für entgegengesetzte Mobilitätsmodelle entschieden: Mit und ohne Einschränkungen. Die Auswirkungen der Epidemie sind jedoch nicht mit denen der Nachbarländer vergleichbar, sondern eher mit denen der Länder auf der anderen Seite des Kontinents.
Portugal und Schweden tauschen die Rollen
Lissabon und Stockholm haben sich für entgegengesetzte Mobilitätsmodelle entschieden: Mit und ohne Einschränkungen. Die Auswirkungen der Epidemie sind jedoch nicht mit denen der Nachbarländer vergleichbar, sondern eher mit denen der Länder auf der anderen Seite des Kontinents.
Die Mobilität in Lissabon ist in den letzten Monaten aufgrund der Gesundheitskrise stark zurückgegangen. Im Mai, als die Einschränkungen vollständig gelockert wurden, registrierte man auf den Straßen – im Vergleich zu den für diese Jahreszeit für die portugiesische Hauptstadt gewohnten Zahlen – nur ein Fünftel der üblichen Fußgänger und Fahrzeuge. Dieser Rückgang ähnelt dem in den Hauptstädten der Nachbarländer, d. h. Madrid, Rom oder Paris, obwohl die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Portugal wesentlich geringer waren als in Spanien, Italien oder Frankreich.
Betrachten wir auf der anderen Seite Stockholm. Schweden hat es vermieden, strenge Ausgangssperren zu verhängen. Zudem ist es das einzige Land in Europa, das weder die Schließung von Schulen (wie Bulgarien) noch die Schließung von Arbeitsstätten angeordnet hat, obgleich es bestimmte Einschränkungen empfohlen hat, wie Our World in Data zeigt. Seit März ist die Mobilität in Lissabon und Stockholm vergleichbar mit der Mobilität in ihren entsprechenden Regionen: Die Hauptstädte im Süden Europas sind zum Stillstand gekommen, die im Norden nicht. Dennoch gibt es im Hinblick auf die Zahl der Todesfälle pro Million Einwohner Unterschiede zwischen Portugal und Schweden und ihren regionalen Tendenzen.
Lissabon
Der in Lissabon am Mittwoch den 13. Mai für den gesamten Monat registrierte Straßenverkehrshöchstwert lag bei etwa 28,4%. Obwohl die Wiedereröffnung bestimmter Geschäfte wie z. B. Friseursalons und Restaurants – mit Einschränkungen – genehmigt wurde, waren die Schulen in Portugal zu diesem Zeitpunkt noch geschlossen und erst eine Woche später geplant. Der Verkehr in der Hauptstadt des Nachbarlandes, Madrid, war trotz der verheerenden Auswirkungen der Pandemie intensiver. Der Höchstwert in Madrid belief sich am 17. Mai auf 36,8%. Zwar ist richtig, dass an diesem Tag einige Einschränkungen gelockert wurden, aber die erste Phase der Aufhebung – die sogenannte Phase 1 – sollte in der spanischen Hauptstadt erst acht Tage später, d. h. am 25. Mai, in Kraft treten. Verglichen mit der anderen Hauptstadt auf der iberischen Halbinsel, reflektiert diese Zahl ein hohes Verkehrsaufkommen trotz der strenger Einschränkungen.
Als Rom und Paris am 11. Mai ihre Arbeitsplatzbeschränkungen aufhoben, war der Straßenverkehr viel intensiver als in Lissabon. Selten sank er unter den monatlichen Höchstwert von 30%. Was die Fußgänger in diesen vier Ländern betrifft, so wurden die niedrigsten Werte in Lissabon und Rom gemessen, mit ungefähr 30%, gefolgt von Madrid und Paris, wo die Zahlen noch vor Kurzem die Hälfte des normalen Verkehrsaufkommens erreicht haben.
Stockholm
Im Gegensatz dazu erreichte der Individualverkehr in Stockholm nur zweimal ein ähnliches Niveau wie im Süden Europas, nämlich am 1. und am 21. Mai, zwei Nationalfeiertage in Schweden. Das normale Verkehrsaufkommen in der schwedischen Hauptstadt lag bei rund 70%. Diese Zahl erreichte am 31. Mai sogar 118,9% .
Außerdem übertraf das Verkehrsaufkommen in Stockholm andere Hauptstädte in der Region wie z. B. Kopenhagen in Dänemark – außer an einigen Wochenenden – oder Helsinki in Finnland. Und obwohl die Zahl der Fußgänger geringer war, war sie mit jener der Nachbarländer vergleichbar.
Während sich Schweden in Bezug auf die Mobilität wie ein nördliches Land verhalten hat – mit weniger Einschränkungen als seine Nachbarn –, ist die Bilanz der Infektionen und insbesondere der Todesfälle pro Million Einwohner ähnlich wie in Südeuropa.
Daten bis zum 3. Juni Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten)
Europas Wirtschaft kommt wieder in Gang
Trotz der Nord-Süd-Mobilitäts-Unterschiede seit Beginn der Gesundheitskrise war der gesamte Kontinent an einem internationalen Feiertag nahezu vereint. Am 1. Mai – dem Tag der Arbeit – war nur jedes vierte Fahrzeug und nur jede zweite Fußgänger in ganz Europa unterwegs. Allerdings war das die einzige Ausnahme. Während Mitte April nur ein Drittel der üblicherweise in den europäischen Hauptstädten zirkulierenden Menschen unterwegs waren, die Zahl der Fußgänger ab Mai, und zwar auf über 60% im Laufe der letzten Woche. Ähnliches gilt für den Privatverkehr, der bis zum 9. Mai – nach dem VE Day, ein weiterer Feiertag für halb Europa – bei weniger als der Hälfte des normalen Verkehrsaufkommens verblieb.
Nach und nach kommt Europas Wirtschaft wieder in Gang, auch wenn das Tempo der Erholung im Norden und im Süden noch immer von Unterschieden geprägt ist. Die Daten über die Mobilität belegen das. In der Woche vom 11. Mai wurden in einem großen Teil der europäischen Staaten die Schulen und Arbeitsstätten wieder teilweise eröffnet; mit Ausnahme von Spanien und Irland, wie Our World in Data zeigt. Seit diesem Tag wird in einigen Hauptstädten wie Wien, Prag, Kopenhagen und Berlin ein Verkehrsaufkommen von über 80% verzeichnet. Andere Städte, wie Vilnius, Ljubljana, Tallinn, Bratislava oder Helsinki haben ein ähnliches Niveau erreicht, allerdings nur in Bezug auf die Zahl der Fußgänger. Während sich die Mobilität zu Lande erholt, wenn auch langsamer in den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern, hat der Flugverkehr – mit rund 15% – noch nicht wieder losgelegt .
Katherine Spence, Eva Belmonte, Ángela Bernardo und María Álvarez del Vayo haben an die Redaktion dieses Artikels teilgenommen.
https://civio.es/2020/06/09/lisbon-like-the-north-stockholm-like-the-south/