Ohne EU-Quoten kämpft der Zuckersektor mit niedrigen Preisen
Für den europäischen Zuckersektor sieht es derzeit nicht wirklich gut aus, meint die Generaldirektorin des Europäischen Verbandes der Zuckerhersteller (CEFS).
Ohne EU-Quoten kämpft der Zuckersektor mit niedrigen Preisen
Für den europäischen Zuckersektor sieht es derzeit nicht wirklich gut aus, meint die Generaldirektorin des Europäischen Verbandes der Zuckerhersteller (CEFS).
In den Augen der Generaldirektorin des Europäischen Verbandes der Zuckerhersteller (CEFS) sind die derzeitigen Aussichten für den europäischen Zuckersektor nicht gut. „Es ist wirklich eine schwierige Zeit mit vielen Unsicherheiten“, erklärte Marie-Christine Ribera in einem Interview mit EUobserver. Das Hauptanliegen der Brüsseler Lobbygruppe – und des gesamten Sektors – ist der historisch niedrige Marktpreis für Zucker. „Er geht nach unten, nach unten und nach unten“, meinte Ribera.
Laut den jüngsten Zahlen der Europäischen Kommission lag der durchschnittliche EU-Preis für Weißzucker im Juli bei 346 Euros/Tonne. Das entspricht einem Rückgang um 30,9 Prozent gegenüber den vorangegangenen 12 Monaten, in denen der durchschnittliche EU-Preis noch bei 501 Euros/Tonne lag. Seit Dezember 2017 liegt der Durchschnittspreis unter dem EU-Referenzpreis von 404 Euros pro Tonne. Allerdings dient dieser Referenzpreis nur als Orientierungshilfe und hat keine „praktische Bedeutung“ mehr, erläutert Josh Gartland, Berater des CEFS für Handel, Wirtschaft und Soziales.
„Für den Preisrückgang sind zum Teil das weltweite Überangebot, aber auch die Abschaffung der EU-Produktionsgrenzen verantwortlich“, erklärt die Europäische Kommission in ihrer im vergangenen Sommer veröffentlichten kurzfristigen Prognose für die EU-Agrarmärkte . Am Montag, den 1. Oktober, wird es ein Jahr her sein, dass die EU die Zuckerquoten abgeschafft hat, die seit 1968 in der Gemeinsamen Agrarpolitik der Union verankert waren.
„Ich bin überzeugt, dass sich die Branche seit der Entscheidung über das Enddatum der Zuckerquoten gut positioniert hat, um von den Chancen zu profitieren, die das Zuckerquoten-Ende bietet“, meinte EU-Agrarkommissar Phil Hogan im vergangenen Jahr . Aber ein Jahr später ist der Leiter der Zucker-Produzentengruppe CEFS weniger positiv. „Im Moment sehen wir den Nutzen nicht“, erklärte Ribera unterdessen.
Ein wichtiger Grund für den Rückgang des EU-Zuckerpreises ist der Rückgang des Weltmarktpreises, der wiederum durch ein Überangebot an Zucker verursacht wird. „Wenn der Weltmarkt unbeständig ist – und wir wissen, dass er im Vergleich zu anderen Rohstoffen sehr volatil ist – dann wussten wir zumindest auf dem Papier, dass wir Unbeständigkeit importieren würden. Und genau das ist passiert“, erläuterte Ribera. Der Grund für den aktuellen Preisverfall ist einfach, meinte Ribera: „Es gibt zuviel Zucker.“
Die Sprunghaftigkeit war zu erwarteten. Die Auswirkungen sind jedoch viel verheerender als ursprünglich angenommen, erklärte Riberas Kollege Gartland. „Der Preisverfall, den die Kommission erwartet hatte, war ein Rückgang auf rund 400 Euros. Wie wir gesehen haben, sind es jetzt 346 Euros, was weit unter dem liegt, was die Kommission geplant hat“, sagte Gartland. Der Preissturz ist in der gesamten EU eingetreten, die laut den Berichten der Beobachtungsstelle für den Zuckermarkt in drei Regionen aufgeteilt wurde.
Eine Ursache für das Überangebot, so Gartland und Ribera, sei Indien. „Der dortige Produktionsanstieg begann [bei] etwa 22 Millionen [Tonnen] in den Jahren 2016-17 und erreichte etwa 35 Millionen in den Jahren 2017-18“, erklärte Gartland. „Das ist gewaltig“, meinte Ribera. Die EU-Zuckerproduktion für die Saison 2017-2018 wurde laut der Europäischen Kommission auf 21,1 Millionen Tonnen festgelegt. In ihren Augen ist mit „einer gewissen Stabilisierung der Weltpreise zu rechnen, da Indien auf die niedrigen Preise reagiert hat, indem es Zucker-Vorräte angelegt hat. Unterdessen leiten Thailand und Brasilien mehr Zuckerrohr in die Ethanol-Herstellung.“
Dennoch ist der Internationale Verband der europäischen Rübenanbauer (CIBE) nach wie vor besorgt. „Angesichts dieser ungünstigen Situation fordern die europäischen Anbauer dringende Maßnahmen und ein Stopp der ‚Abwarte-Politik‘ der EU-Institutionen“, erklärte CIBE in einer Stellungnahme Mitte September. Der deutliche Preisverfall erinnert an die Abschaffung der EU-Quoten für die Milcherzeugung im Jahr 2015.
Auch die Milchbauern mussten mit einem Einkommensrückgang zurechtkommen und gingen in Brüssel auf die Straße. Ihre Proteste führten zu einem Hilfspaket von 500 Millionen Euros. Im Vergleich dazu trat der Zuckersektor bezüglich seiner Not viel weniger wortgewaltig auf. Das liegt zum Teil an der Unterschiedlichkeit des Sektors, meinte Gartland. „Für die Milchbauern ist es so, dass ihr gesamter Lebensunterhalt oft von den Kühen abhängig ist“, erläuterte Gartland. „Wenn die Milchpreise sinken, könnten sie möglicherweise bankrott gehen und alles verlieren. Zuckerrübenbauern bauen nicht nur Rüben an. Rüben werden in Fruchtfolge angebaut“, stellte er fest. „Obwohl sinkende Zuckerpreise ihr Einkommen beeinträchtigen, werden sie nicht zwingendermaßen in Konkurs geraten.“
Erst einmal Selbstregulierung
Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Kommission eingreifen wird. Im August erklärte EU-Agrarkommissar Phil Hogan einem Europaabgeordneten, der seine Besorgnis über die niedrigen Zuckerpreise äußerte, dass die Situation nicht völlig unerwartet sei. „In dieser frühen Phase des Übergangs zu einer Zeit nach der Quotenregelung hält es die Kommission nicht für zweckmäßig, Markt-Maßnahmen zu ergreifen“, schrieb Hogan. „Jeder Eingriff, der in dieser Zeit stattfinden würde, würde ein falsches Signal an die Industrie senden, und den Anreiz zur Selbstregulierung ernsthaft schwächen.“
Ribera erklärte, dass ihre Mitglieder „versuchen, herauszufinden, wie diese Dinge diskutiert werden können“, ohne gegen das EU-Kartellrecht zu verstoßen. „Wir können intern nicht besprechen, wie wir das Angebot zwischen Wettbewerbern kontrollieren können“, erläuterte sie.
Gesundheitliche Bedenken
Ein weiteres erwartetes Problem für den europäischen Zuckersektor ist, dass die Europäer beginnen, weniger Zucker zu konsumieren und durch andere Süßstoffe zu ersetzen. „Zum Beispiel sind die Verbraucher zunehmend über den Zuckergehalt besorgt, und zwar aufgrund der hohen Fettleibigkeitsraten in den entwickelten Ländern und der damit verbundenen Gesundheitsprobleme wie Diabetes, Herzerkrankungen und Krebs“, erklärte die Kommission in ihrem Agrarausblick für 2017-2030 .
Die Kommission erwartet, dass der Gesamt-Zuckerverbrauch in der EU bis 2030 um fünf Prozent sinken wird. Dagegen rechnet sie mit einem weiteren Anstieg des weltweiten Verbrauchs, insbesondere in Indien, China und Pakistan. Allerdings sind diese Märkte zu weit entfernt, als dass die EU-Produzenten mit ihnen konkurrieren könnten. Die Zucker-Lobbyistin Ribera meinte, es sei „sehr schwer vorherzusagen“, was in den kommenden Jahren passieren werde. „Die Kommission versucht, mit ihrem Ausblick vorherzusagen, was geschehen wird, aber sie liegen immer falsch“, fügte sie hinzu.
https://euobserver.com/economic/142966