Google und Facebook dominieren verhaltensbasierte Werbung, auch wenn Cookies sich verkrümeln sollen

Trotz der ergriffenen Maßnahmen für mehr Transparenz bei der Verarbeitung der persönlichen Daten von Nutzern im Internet, setzen die wichtigsten digitalen Werbetreibenden immer noch auf aufdringliche Praktiken, die versuchen, das menschliche Verhalten zu beeinflussen. Die europäische Regulierung zum Datenschutz könnte das Problem entschärfen, allerdings wird sie nur begrenzt umgesetzt.

Published On: Februar 10th, 2021
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Google und Facebook dominieren verhaltensbasierte Werbung, auch wenn Cookies sich verkrümeln sollen

Trotz der ergriffenen Maßnahmen für mehr Transparenz bei der Verarbeitung der persönlichen Daten von Nutzern im Internet, setzen die wichtigsten digitalen Werbetreibenden immer noch auf aufdringliche Praktiken, die versuchen, das menschliche Verhalten zu beeinflussen. Die europäische Regulierung zum Datenschutz könnte das Problem entschärfen, allerdings wird sie nur begrenzt umgesetzt.

© Stephan Marquardt / Pixabay.

Aufgrund der ununterbrochenen Meldungen, die beim Öffnen fast jeder Website erscheinen, weiß so gut wie jeder, was Internet-Cookies sind. Allerdings wird das Ausmaß ihres Einflusses auf die Nutzer – insbesondere durch die Sammlung von Verhaltensdaten – nach wie vor völlig unterschätzt. Dabei birgt dies nicht nur mannigfaltige Datenschutzbedenken, sondern auch soziale, politische und sogar psychologische Gefahren.

Trotz bestimmter Vorschriften, die – wie wir berichten werden – aufdringliche Praktiken eindämmen sollen, finden Unternehmen wie Google und Facebook neue Wege, um bestehende Schutzmaßnahmen zu umgehen und Kunden weiterhin in die Richtung zu drängen, die den Profit durch Werbung maximiert und ihren gesellschaftspolitischen Interessen dient.

Erstanbieter-Cookies sind eine grundlegende Code-Form, die für die Funktionalität der meisten Websites notwendig ist und Dinge wie Artikel in einem Einkaufswagen oder Anmeldeinformationen speichert. Cookies von Drittanbietern hingegen verfolgen und sammeln Daten über die Benutzeraktivität im gesamten Web: Von gelesenen Artikeln, angeschauten Produkten, der auf jeder Seite verbrachten Zeit und der Auswahl der Anzeigen, auf die geklickt wurde. Diese Daten bilden ein digitales Profil, das an Agenturen gesendet wird, die um Werbeflächen konkurrieren, um relevante Nutzer zu erreichen. Dies geschieht durch automatisierte Angebote, die mehr als 60 Prozent der weltweiten Online-Werbung ausmachen.

2019 verzeichnete die Online-Werbung in Europa ein jährliches Wachstum von 12,3 Prozent, womit der Gesamtmarktwert auf 64,8 Milliarden Euro stieg. Seit 2013 hat sich die Branche verdoppelt und seit 2006 sind jedes Jahr durchschnittlich 4 Milliarden Euro hinzugekommen. Das Vereinigte Königreich ist der größte Markt in Europa (21,4 Mrd. €), gefolgt von Deutschland (9,4 Mrd. €) und Frankreich (6,1 Mrd. €).

In den USA hatte die Online-Werbebranche 2019 einen Wert von 124,6 Milliarden US-Dollar, was einem Anstieg von 15,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Schätzungen zufolge machen digitale Anzeigen 51 Prozent der 490 Milliarden Euro aus, die weltweit für Werbung ausgegeben werden.

Big-Tech-Herrschaft

Die Branche wird von Google und Facebook dominiert. Zusammen machen die beiden mehr als die Hälfte des Marktes aus: Google liegt mit 37,2 Prozent des US-Marktanteils an der Spitze, Facebook folgt mit 22,1 Prozent, während Amazon auf 8,8 Prozent und Microsoft auf 3,8 Prozent kommen.

In Großbritannien generierte Google im Jahr 2018 über 90 Prozent der Suchmaschinenwerbung des Landes (in Suchmaschinen geschaltete Annoncen). Facebook – einschließlich Instagram – erwirtschaftete 2018 fast die Hälfte der Umsätze mit Display-Werbung (alle Formen von Werbung, die auf Bildschirmen angezeigt werden, einschließlich Bannern und Videos).

Über ihre sozialen Netzwerke, Suchmaschinen, Videoplattformen und Mapping-Dienste sowie durch Drittanbieter-Websites und -Anwendungen, die ihre Werbedienste und Analysetools nutzen, verfügen Google und Facebook über eine beispiellose Menge soziodemografischer und verhaltensbezogener Daten.

Vom Echo-Raum zum Emotions-Raum

Das Thema Echo-Raum bzw. Echo-Kammer ist in den letzten Jahren immer zentraler geworden. Deutlich wurde, dass Nutzern auf bekannten Plattformen stets ähnliche Inhalte vorgeschlagen werden. Diese basieren auf ihren informationellen Konsumgewohnheiten. Am besten ist dies auf YouTube zu sehen. Es wurde geltend gemacht, dass solche algorithmischen Optimierungen die Nutzer in ein enges Spektrum von selbstbestätigenden Überzeugungen einsperren und Gegenmeinungen verhindern, was eine zunehmend polarisierte Gesellschaft nach sich zieht.

Durch den Zugang zu Massendaten kann die Big Tech in ähnlicher Weise nicht nur den Zugang zu Informationen, sondern auch Emotionen beeinflussen.

Genau das hat Facebook im Jahr 2012 getan, als es ein Experiment mit rund 700.000 Nutzern durchführte, ohne dass diese davon wussten. Ziel war es, zu kontrollieren, welchen Emotionen sie in ihrem Newsfeed ausgesetzt waren. Dies führte dazu, dass diejenigen, denen während des einwöchigen Experiments negative Nachrichten gezeigt wurden, mehr davon posteten, was wiederum einen Dominoeffekt auf ihre Freunde hatte.

Ferner wurde festgestellt, dass Twitter im Jahr 2016 Emoji-Daten an Werbeagenturen verkauft hat, die benutzt werden, um Anzeigen auf bestimmte Personen auszurichten und Kaufgewohnheiten zu beeinflussen, indem die am häufigsten geäußerten Gefühle der Nutzer für eine effizientere Umsetzung verstärkt werden.

Von der Drehtür mit dem Weißen Haus bis hin zu den steigenden Lobbying-Ausgaben in der EU: Die immer enger werdende Fusion von Big Tech und Politik ebnet den Weg für die Verwendung dieser unscheinbaren Werkzeuge für die gesamte Öffentlichkeit, und zwar auf Regierungsebene.

Dr. Julia Maria Mönig, Forscherin beim European Network of Research Ethics Committees (EUREC) und der Hochschule der Medien in Stuttgart, sieht gesellschaftspolitische Gefahren, die damit einhergehen, dass Big Tech-Unternehmen so große Mengen an Daten über Individuen besitzen, zumal sie dadurch „asymmetrische Macht“ über die Nutzer haben.

„Wir haben keine Kontrolle über unsere Daten, auch wenn darüber diskutiert wird, ob dies tatsächlich möglich ist. Früher waren Staaten die Akteure, vor denen man sich fürchtete, wenn sie zu viele Daten über ihre Bürger besaßen – und das aus gutem Grund, wenn man sich die Geschichte Europas vor Augen führt. In letzter Zeit hat allerdings eine Verschiebung stattgefunden. Derzeit ist es vielleicht noch weniger klar, was die Unternehmen mit all diesen Daten machen. Außerdem wird verhaltensbasierte Werbung nicht nur bei Werbeaktionen für Produkte eingesetzt, sondern auch in und für politische Kampagnen.“

Wird Transparenz in Bezug auf webseitenübergreifende Tracker sinnvolle Veränderungen bewirken?

Einige der großen Webbrowser haben Maßnahmen ergriffen, um mit mehr Transparenz gegen Cookies von Drittanbietern vorzugehen: Apple hat eine neue Version von Safari vorgestellt, die den Nutzer darüber informiert, welche Tracker benutzt werden, während Microsofts Edge und Mozillas Firefox dem Nutzer die Wahl zwischen drei Einstellungen lassen, um Cookies in unterschiedlichem Maße zu bekämpfen. Google erklärte außerdem, dass es solche Tracker bis 2022 abschaffen wird. Ob dies tatsächlich viel an dem oben Genannten ändern wird, ist jedoch äußerst fraglich.

Das Fehlen von Drittanbieter-Cookies würde Marken wahrscheinlich in Richtung „Such“-Werbung drängen. Angesichts der Tatsache, dass Google bei weitem die führende Suchmaschine ist (88,14 Prozent des Marktes), und dass 85 Prozent des Umsatzes der Muttergesellschaft Alphabet in Höhe von 133 Milliarden US-Dollar durch die Anzeige von gesponserten Links bei Google-Suchen und Annoncen bei YouTube-Videos generiert wird, könnte Google am Ende sogar davon profitieren.

Erstanbieter-Cookies sind für das Funktionieren der meisten Websites von grundlegender Bedeutung. Daher sind sich die Tech-Giganten bewusst, dass die Menschen nicht versuchen werden, diese zu blockieren. Aus diesem Grund haben sie sich dazu entschlossen, einen Code zu erstellen, der den Erstanbieter-Cookies ähnelt, während diese Daten weiterhin an Dritte gesendet werden.

Der Facebook-Pixel ist ein Code, den Websites auf ihren Seiten installieren können und der es Facebook ermöglicht, die Website-Besucher ihren jeweiligen Facebook-Benutzerkonten zuzuordnen, was dazu führt, dass die Benutzer diese Produkte im sozialen Netzwerk sehen. Das Pixel, das sich auf Facebook-Cookies stützt, funktioniert wie ein Tracker eines Drittanbieters, der u. a. sehen kann, welche Seiten ein Nutzer besucht hat und welche Geräte er verwendet.

Dr. Mönig ist der Meinung, dass das Thema Datenschutz in Bezug auf verhaltensbasierte Werbung von entscheidender Bedeutung ist. Allerdings macht die fehlende Transparenz es für den alltäglichen Nutzer kompliziert, sich über deren Funktionsweise klar zu werden. 

„Ein Hauptanliegen ist die Privatsphäre. Damit sind die Grundlagen des Datenschutzes gemeint: Die menschliche Autonomie und die Menschenwürde“, erklärt Dr. Mönig.

 „Es ist schwer, den unmittelbaren Zusammenhang zu sehen, was die Sache noch schlimmer zu machen scheint. Das Problem mit den Cookies und der verhaltensbasierten Werbung könnte sein, dass wir nicht wissen, dass wir überwacht werden“, fügt sie hinzu.

Mögliche Gegenmittel: GDPR und Verbraucher-Wahl

Während die EU-Datenschutz-Grundverordnung (GDPR) für ihre Härte bei Datenschutzverstößen gelobt wird, ist in Bezug auf Untersuchungen oder Strafen wenig zu sehen. Auch wenn die GDPR das Potenzial hat, als geeigneter Aufpasser zu fungieren, dürfen die Verbraucher nicht darauf warten, dass alles ordnungsgemäß umgesetzt wird, um Veränderungen zu bewirken.

Die jüngste WhatsApp-Episode hat ein Beispiel dafür geliefert, welche Macht die Verbraucher mit ihrer Wahl haben. Der Messaging-Dienst kündigte Änderungen der Datenschutzrichtlinien an, die eine Weitergabe von Daten an den Mutterkonzern Facebook erfordern würden, was sofort eine Gegenreaktion auslöste.

Die auf Privatsphäre fokussierten Messaging-Plattformen Signal und Telegram ernteten die Lorbeeren und zählten zwischen dem 5. und 12. Januar 7,5 Millionen bzw. neun Millionen Downloads. Signal führte die App-Stores von Google und Apple an und verzeichnete einen Anstieg der Nutzerzahlen um 4.200 Prozent. Unterdessen sanken die Downloads von WhatsApp in dieser Zeit um mehr als zwei Millionen. Daraufhin hat WhatsApp die Implementierung dieser Änderung von Februar 2021 auf Mai verschoben, um sich die nächsten Schritte zu überlegen. 

Diese Verschiebung war aufgrund der Wichtigkeit von WhatsApp im täglichen Leben von Menschen auf der ganzen Welt möglich. In Bezug auf Cookies und andere aufdringliche Datenerfassungs-Praktiken könnten ein stärkeres öffentliches Bewusstsein und geeignete Alternativen ähnliche Reaktionen hervorrufen.

Dieser Artikel wurde im Rahmen des Panelfit-Projekts erstellt, das durch das Programm Horizont 2020 der Europäischen Kommission (Finanzhilfevereinbarung Nr. 788039) unterstützt wird. Die Kommission hat sich nicht an der Erstellung des Artikels beteiligt und ist nicht für seinen Inhalt verantwortlich. Der Artikel ist Teil der unabhängigen journalistischen Produktion von EDJNet.

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