EU-Bürgerrechte an oberster Stelle

In den Brexit-Verhandlungen sind die Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger, und jene der Briten, die in EU-Ländern leben, von zentraler Bedeutung

Published On: August 31st, 2017
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EU-Bürgerrechte an oberster Stelle

In den Brexit-Verhandlungen sind die Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger, und jene der Briten, die in EU-Ländern leben, von zentraler Bedeutung

In den Brexit-Verhandlungen sind die Rechte der 3,5 Millionen EU-Bürger, die im Vereinigten Königreich leben, sowie der 1,2 Millionen Briten, die in EU-Ländern leben, eines der wichtigsten Themen. Das Austrittsabkommen muss diese Rechte regeln, zumal es die grundlegenden Spielregeln für das Leben nach dem Brexit festlegt.

Das Vereinigte Königreich und die EU haben zahlreiche Erklärungen veröffentlicht, in denen sie ihre Positionen zu den Hauptdebatten der Brexit-Verhandlungen darlegen.

In einem Punkt ist man sich einig: Aus den zu schließenden Vereinbarungen zum zukünftigen Rechtsstatus und den Rechten müssen beide Seiten Vorteile ziehen.

Dennoch warnte  der EU-Verhandlungsführer Michel Barnier nach der zweiten Verhandlungsrunde vor den weiterhin bestehen „grundlegenden Differenzen“ bezüglich der Bürgerrechte.

Ehrenamtliche Arbeitsgruppen, die sich sowohl für EU-Bürger als auch britische Staatsangehörigen einsetzen, fordern eine rasche und zweckgebundene Einigung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, so dass ein jeder mit Gewissheit in die Zukunft blicken kann.

„Wir brauchen echte Garantien für unsere Bürger, die in Großbritannien leben, arbeiten und studieren. Das gilt auch für die Briten“, erklärte  der amtierende Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk.

Von diesen Fragen betroffen sind 1,2 Millionen britische Staatsbürger, die in EU-Ländern leben, sowie 3,5 Millionen EU-Bürger, die im Vereinigten Königreich leben.  

Die Position der EU: Lebenslange Gewährleistung der Rechte für die Bürger der 27 EU-Länder, die sich im Vereinigten Königreich niedergelassen oder dort aufgehalten haben, als das Austrittsabkommen in Kraft trat. Gleiche Rechte sollen für britische Staatsangehörige gelten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Scheidungsvertrages in einem der 27 EU-Länder leben oder sich dort aufgehalten haben. Dies soll auch für ihre gegenwärtigen und zukünftigen Familienangehörigen gelten, die ihnen bereits gefolgt sind, oder nachkommen werden, und zwar ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit.

  • Bürger, die im Vereinigten Königreich/einem der 27 EU-Länder leben oder gelebt haben
  • Ihre gegenwärtigen und zukünftigen Familienmitglieder, die entschieden haben, dem „Rechtsinhaber“ nach dem Brexit zu folgen, und das ganz gleich welcher Nationalität sie sind
  • Weiterhin bestehende Rechte für Familienmitglieder nach der Scheidung oder dem Tod des Rechtsinhabers
  • Grenzgänger, die in einem Land arbeiten (zum Beispiel Großbritannien), während sie in einem anderen Land leben (eines der 27 EU-Länder)    
  • Rentner, die nicht mehr im Vereinigten Königreich oder einem der 27 EU-Länder leben, und die bereits von den entsprechenden Vorteilen profitieren, bzw. kumulierte Perioden als zukünftige Vorteile anrechnen lassen können
  • Arbeitnehmer und Jobsuchende, Selbständige, Studenten, wirtschaftlich Inaktive      
  • Entsandte Arbeitnehmer: Das Vereinigte Königreich wäre damit einverstanden, die Rechte für entsandte Arbeitnehmer in das Scheidungsabkommen aufzunehmen, aber die EU meint, dass diese im Rahmen grenzüberschreitender Dienstleistungen ausgeklammert werden müssen

Die Position des Vereinigten Königreichs: EU-Bürger, die fünf Jahre lang in Großbritannien wohnhaft waren, sollen in einem gestrafften Verfahren einen „dauerhaften Status“ erhalten. Personen, die sich zum Zeitpunkt des Brexit weniger als fünf Jahre legal im Vereinigten Königreich aufgehalten haben, müssen einen vorübergehenden Status beantragen, um bleiben zu können.

Rechte

Freier Verkehr – Die EU will, dass britischen Staatsangehörigen nur in dem Staat Rechte zugesichert werden, in dem sie am Brexit-Tag über das Aufenthaltsrecht verfügen. Das Vereinigte Königreich fordert für die Zeit nach dem Brexit ein Ende der Freizügigkeit, aber eine Aufrechterhaltung der britisch-europäischen Migration.

Aufenthaltsrecht – Das Vereinigte Königreich würde gern die Voraussetzung eines „umfassenden Krankenversicherungsschutzes“ für jene Freiberufler kippen, die sich in Großbritannien niederlassen, oder einen dauerhaften Status beantragen wollen. Der Antragsprozess soll vielmehr optimiert werden.

Recht auf Gleichbehandlung – Ausgehend vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sollte dieses Recht sowohl von der EU als auch dem Vereinigten Königreich vollumfänglich anerkannt werden.

Recht auf Arbeit – Personen, die einen „dauerhaften Status“ genießen, sollten dieses Recht in Großbritannien genießen.

Recht auf Lernen und Lehre – Personen mit „dauerhaftem Status“ wird dieses Recht im Vereinigen Königreich garantiert. Die derzeitigen Studenten aus den 27 EU-Ländern werden auch in Zukunft Zugang zu Krediten haben, und jene, die sich für Kurse für das Jahr 2018/2019 bewerben, dürfen bleiben und ihr Studium beenden. Abschlüsse, die vor dem Austritt des Vereinigten Königreiches erworben wurden, werden auch weiterhin anerkannt. Unklar ist allerdings, wie mit Studenten umgegangen wird, die ihr Studium beendet haben.    

Recht auf Gesundheitsversorgung – Londoner Aussagen zufolge wird es jenen Personen innerhalb des Vereinigen Königreichs gewährt, die den dauerhaften Status besitzen.

Recht auf Unterstützungsleistungen – Das Vereinigte Königreich würde es EU-Staatsangehörigen erlauben, Sozialhilfeleistungen an ihre anderswo ansässigen Familienmitglieder zu senden.

Rentenanspruch – Das Vereinigte Königreich versprach die Indexierung der Renten von EU-Bürgern, sowie die Weiterzahlung der Renten an britische Staatsangehörige, die in einem der 27 EU-Ländern wohnen, auch wenn dies nicht mehr vom EU-Recht garantiert werden soll.

Wahlrechte – Das Vereinigte Königreich schlägt vor, das aktive und/oder passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen im Wohnsitzland aufrechtzuerhalten, äußert sich in seinem Vorschlag aber nicht dazu, dass EU-Bürger mit „dauerhaftem Status“ bei britischen Kommunalwahlen wählen dürfen sollten. Die EU beanstandet, dass es sich um vom EU-Recht abgeleitete Unionsbürgerrechte handele.

Recht auf Familienzusammenführung – Während die EU sich wünscht, dass Bürger umfangreiche Rechte besitzen, um gegenwärtige und zukünftige Familienmitglieder in Großbritannien zusammenzuführen (auch wenn sie keine EU-Bürger sind), fordert London, dass die EU-Bürger, die nach dem Brexit heiraten, das Familienzusammenführungsrecht in Großbritannien verlieren. Es sei denn sie legen den Mindesteinkommens-Test ab, den jene Briten absolvieren müssen, die nicht-EU-Familienmitglieder nach Großbritannien holen wollen. Laut britischer Aussagen werden Familienmitglieder, die sich in Großbritannien vor dem Brexit mit einem „qualifizierten“ (d.h. die Kriterien erfüllenden) EU-Bürger niederlassen, nach fünf Jahren den „dauerhaften Status“ beantragen können.

Recht der Ausreise und der Rückkehr – London kündigt an, dass EU-Bürger, die im Vereinigten Königreich den dauerhaften Status erhalten haben, Großbritannien aber für mehr als zwei Jahre verlassen, ihnen Status verlieren könnten. Mit dieser Position scheint die EU einverstanden zu sein, auch im Hinblick auf die britischen Staatsbürger, die in den 27 EU-Ländern leben.

Status

Die Position des Vereinigten Königreichs: Alle EU-Staatsangehörige, die sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Vereinigten Königreich niedergelassen haben, werden den „dauerhaften Status“ beantragen, sowie ihre Ehepartner und Kinder zu sich holen können. Mit diesem dauerhaften Status sollten sie in folgenden Bereichen genauso behandelt werden wie britische Staatsangehörige: Aufenthalt und Wohnsitz, Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen und Renten. Die Familienzusammenführung gehört allerdings nicht dazu.

Personen, die den dauerhaften Aufenthaltsstatus im Vereinigten Königreich erworben haben, werden sich neu bewerben müssen. EU-Staatsangehörige werden im Besitz eines Ausweises sein müssen, der ihren „dauerhaften Status“ nachweist. Personen, die zum Zeitpunkt des Brexit weniger als fünf Jahre rechtmäßig im Vereinigten Königreich gelebt haben, werden den vorübergehenden Status beantragen müssen, um in Großbritannien bleiben zu dürfen. Die britischen Gerichte werden in jedem einzelnen Streitfall entscheiden müssen, wer berechtigt ist, einen „dauerhaften Status“ zu erhalten.

Die Position der Europäischen Union: Unter EU-Gesetz uneingeschränkte lebenslange Garantie der Rechte, die derzeit von all jenen genossen werden, die im Vereinigten Königreich leben, sowie ihrer Familienmitglieder. Das bedeutet auch weiterhin das Recht auf Wohnsitz, Arbeit, geschäftliche Aktivitäten, Zugang zur medizinischen Versorgung, Sozialversicherung und Rente.

Stichtag

Derzeit streitet man sich auch noch um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Bürger  im Vereinigten Königreich leben muss, um Anspruch auf den dauerhaften Status zu haben.

Die Position des Vereinigten Königreichs: Zwischen dem 29. März 2017, dem Tag, als das im Artikel 50 vorgesehen Austrittsverfahren eingeleitet wurde, und dem Brexit-Tag. Alle EU-Staatsbürger, die vorher im Vereinigten Königreich ansässig waren, werden die fünf Jahre Wohnsitz nachweisen können, die notwendig sind, um den „dauerhaften Status“ zu beantragen. All jene, die sich nach dem Stichtag niedergelassen haben, können für „vorläufige Dauer“ bleiben, aber nicht zwingend einen „dauerhaften Status“ erwerben können.

Die Position der Europäischen Union: Der Stichtag ist der als Brexit-Tag angesehene 29. März 2017.

Europäische Gerichtshof (EuGH) und Garantierechte

Die Position des Vereinigten Königreichs: Die im britischen Gesetz verankerten Rechte werden im britischen Rechtssystem vollstreckbar sein, und rechtliche Garantien für die EU-Bürger bieten. Dazu wird man sich in der Scheidungsvereinbarung verpflichten, die als internationales Recht gelten wird. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird im Vereinigten Königreich allerdings nicht für Rechtssachen zuständig sein. Diesbezüglich ist London bereit, über die Schaffung einer neuen Schiedsinstanz zu diskutieren.

Die Position der Europäischen Union: Die Europäische Kommission sollte in der Lage sein, die Rechte zu überwachen, und der Europäischen Gerichtshof sollte für die gesamte Dauer des Rechtsschutzes die volle Rechtsprechungsbefugnis besitzen.

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