Erasmus und Brexit: UK bei Auslandsstudierenden nicht mehr Number One
Während diverse Effekte des Brexit nach wie vor schwer abzuschätzen sind, ist klar: Auf das Austauschprogramm Erasmus+ hat der britische EU-Austritt bereits Auswirkungen.
Erasmus und Brexit: UK bei Auslandsstudierenden nicht mehr Number One
Während diverse Effekte des Brexit nach wie vor schwer abzuschätzen sind, ist klar: Auf das Austauschprogramm Erasmus+ hat der britische EU-Austritt bereits Auswirkungen.
Während dieses Jahr viele Studierende aufgrund der Coronavirus-Pandemie ohnehin nicht am Erasmus-Austauschprogramm teilnehmen konnten und können, war im Vereinigten Königreich die Zahl der ausländischen Studierenden bereits zuvor rückläufig. Als Grund dafür wird der Brexit genannt.
Während das UK insbesondere unter jungen französischen, deutschen und spanischen Studierenden lange als „the place to be“ galt, hat das neue EU-Ausland jenseits des Ärmelkanals offenbar seine Popularität eingebüßt: Im Erhebungszeitraum 2018/2019 waren demnach 11.656 ausländische Studierende in London, Newcastle & Co. Im EU-Land Spanien waren es mit 15.175 hingegen deutlich mehr.
Laure Coudret-Laut, Direktorin der Agentur Erasmus+ Frankreich mit Sitz in Bordeaux, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf diese Veränderung: „Dieses Thema begleitet uns schon länger.“ Die Studierenden würden inzwischen andere Ziele präferieren, die ebenfalls Kurse in englischer Sprache anbieten. „Viele gehen nach Norwegen, Finnland und Irland. Dort haben die Studierendenzahlen deutlich zugenommen. Es wurden also andere Austauschpartner gefunden.“
Mehr Austausch
Insgesamt habe der Erasmus-Austausch zugenommen, insbesondere in und mit Italien. „Mit der Erhöhung der europäischen Finanzierung im dritten Jahr in Folge – 247 Millionen Euro, was einer Steigerung von 22 Prozent entspricht – konnten wir die 100.000-Personen-Marke für europäische Mobilität […] 2019 überschreiten,“ so die französische Erasmus-Agentur in einer Pressemitteilung.
So habe sich insbesondere der Austausch im professionellen Job-Bereich ausgeweitet. Von den insgesamt 102.476 Erasmus+-Austauschen, die 2019 finanziert wurden, entfielen 31 Prozent auf die berufliche Aus- und Weiterbildung: So wurden insgesamt 31.721 Austauschmaßnahmen für 23.722 Azubis finanziert, die Berufsschulen besuchten und/oder an dualen Ausbildungsprogrammen und Praktika teilnahmen. 8.000 von ihnen waren im Bildungs- und Schulbereich tätig.
Weitere britische Teilnahme an Erasmus+ (?)
Trotz des Brexit-bedingten Rückgangs wollen die britischen Universitäten ihre Teilnahme am EU-Programm offenbar beibehalten: „Sie haben weiterhin Mittel beantragt und erhalten, um Studenten im Rahmen von Erasmus+-Austauschprogrammen zum Studieren und Arbeiten ins Vereinigte Königreich zu holen,“ so eine Sprecherin des British Council gegenüber EURACTIV Frankreich.
Zuvor hatte es allerdings Bedenken gegeben , die britische Regierung werde nicht unbedingt über eine weitere Vollmitgliedschaft im Erasmus-Programm mit Brüssel verhandeln.
Im Jahr 2019 hatten britische Organisationen fast 200 Millionen Euro an Erasmus+-Mitteln von der Europäischen Union erhalten. „Die Projekte, die bei der Beantragung von Fördermitteln im Rahmen der laufenden Programme erfolgreich waren, werden während ihrer gesamten Laufzeit weiterhin EU-Fördermittel erhalten – einschließlich derjenigen, deren Finanzierung über 2020 und somit über das Ende der Übergangsperiode hinausreicht,“ fügt die Sprecherin hinzu.
Damit sei sichergestellt, dass britische Studierende ihre Austauschprogramme in vollem Umfang und für die gesamte geplante Dauer wahrnehmen können.
Derweil bleiben Frankreich, Deutschland und Spanien die bevorzugten Ziele der britischen Erasmus-Teilnehmer. In Frankreich stellen sie sogar eines der größten Kontingente ausländischer Studierender: Jeder siebte Student dort ist Brite.
Das British Council kommentiert dies: „Als die britische Agentur für Erasmus+ können wir sagen, dass die Nachfrage nach Erasmus+-Fördermitteln für den Austausch mit Europa stark geblieben ist. Seit dem Referendum haben wir die Höhe der für die europäische Mobilität gewährten Fördermittel von Jahr zu Jahr sogar erhöht.“
Die Attraktivität der EU-Länder für junge britische Menschen scheint also trotz des Brexit ungebrochen zu sein. Wie sich dies weiter entwickelt, ist angesichts der noch laufenden Übergangsphase und dem nach wie vor möglichen Rückzug des Vereinigten Königreichs aus dem Austauschprogramm freilich noch nicht abzusehen.
[Bearbeitet von Tim Steins]