Der riskante Schritt der EU in Richtung (nicht)nachhaltige Fischerei
Der Druck, den die Industriefischerei-Lobbys auf die EU ausüben, um den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb im westlichen Mittelmeer aufrechtzuerhalten, kann sowohl die Fischbestände als auch die Existenzgrundlage der Kleinfischer gefährden, und gleichzeitig die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Sektors selbst beeinträchtigen. Das zeigt eine dreiteilige Untersuchung – die erste, die sich mit der fehlerhaften Gesetzgebung der EU auseinandersetzt.
Der riskante Schritt der EU in Richtung (nicht)nachhaltige Fischerei
Der Druck, den die Industriefischerei-Lobbys auf die EU ausüben, um den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb im westlichen Mittelmeer aufrechtzuerhalten, kann sowohl die Fischbestände als auch die Existenzgrundlage der Kleinfischer gefährden, und gleichzeitig die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Sektors selbst beeinträchtigen. Das zeigt eine dreiteilige Untersuchung – die erste, die sich mit der fehlerhaften Gesetzgebung der EU auseinandersetzt.
Seit der Antike führen die Fische und die Fischer eine erbitterte Schlacht im Mittelmeer. Beide könnten diese nun verlieren, zumal es sich um das heutzutage am stärksten überfischte Meer der Welt handelt. Der Grund: Der ständig steigende Nahrungsbedarf. Zudem werden jedes Jahr etwa 230.000 Tonnen Meeresfrüchte aus dem Mittelmeer weggeworfen (etwa 18 Prozent der Gesamt-Fangmenge), darunter Arten oder Größen von Fisch, die für den Markt ungeeignet sind.
Am 10. April veröffentlichte der wissenschaftliche Fischerei-Ausschuss der EU einen Bericht , der die negativen Tendenzen der Fischbestände im Mittelmeer bestätigt.
Neue Entwicklungen in diesem blauen Kampf könnten langfristig ökologische und wirtschaftliche Schäden verursachen. Die Kosten für die Verbraucher könnten sich ebenfalls als gravierend erweisen, auch wenn dies noch schwer vorhersehbar ist.
Zweifellos wird der neue mehrjährige Verwaltungsplan der EU für bodenlebende Arten (die auf dem Meeresgrund vorkommen) im westlichen Mittelmeer die Überfischung bis 2020 nicht beenden. Unter Verstoß gegen die reformierte Gemeinsame Fischereipolitik , die 2014 in Kraft getreten ist, wurde die Frist für die nachhaltige Fischerei bis 2025 verlängert. Die vom Europäischen Parlament am 4. April verabschiedete Verordnung hat es versäumt, die strengen Beschränkungen für die Schleppnetzfischerei durchzusetzen, obwohl Naturschützer sich diese angesichts des dramatischen Rückgangs der Fischbestände als letztmöglichen Gegenschlag erhofft hatten. Der Abwärtstrend, kombiniert mit untertarifierten Importen aus Übersee, hat einen Boomerang-Effekt in der südeuropäischen Fischereiwirtschaft ausgelöst. Anhaltende finanzielle -und Arbeitsplatz-Verluste beeinträchtigen die Flotten in den Küstenländern des westeuropäischen Mittelmeerraums: Italien, Frankreich und Spanien.
In allen drei Ländern machen gefährdete bodenlebende Fischarten neunzig Prozent aller angelandeten Fänge aus, von denen achtzig Prozent über das nachhaltige Maß hinaus genutzt werden. Zu diesen Arten gehören beliebte Gerichte auf Meeresfrüchte-Speisekarten wie Seehecht, Rotbarbe und Garnelen.
Diese schmackhafte Beute ist nicht nur ein Marktprodukt, sondern auch eine Lebensgrundlage für Tausende von Menschen, die von der traditionellen Küstenfischerei leben. Diese Fischer, die kleine, herkömmliche und passive Fangnetze verwenden, werden zunehmend von gewerblichen Flotten überholt.
Das Navigieren durch die oft trüben Gewässer wissenschaftlicher Schätzungen und geschäftlicher Berechnungen ist eine komplizierte Aufgabe. Die Unsicherheit der Expertenanalysen verschafft den Gesetzgebern letztlich einen breiten und sogar gefährlichen politischen Einfluss.
Vor dem Hintergrund unserer Erkenntnisse haben wir eine Reihe von Berichten erarbeitet, in denen wir die umstrittenen Themen behandeln, die letztendlich einen Schneeballeffekt auslösen könnten: Der erste dreht sich um die fehlerhafte Gesetzgebung in der EU, der zweite um die Umweltzerstörung und der dritte um die Rentabilitäts-Falle.
Kapitel I – Fehlerhafte Gesetzgebung
Lobbygruppen verwässern die EU-Beschränkungen für die Schleppnetzfischerei
Die neue Verordnung, die ab 2020 in Kraft treten wird, untergräbt die wichtigsten Maßnahmen, welche die Europäische Kommission 2018 vorgeschlagen hatte, um die Auswirkungen der Grundschleppnetzfischerei auf die Meeresökosysteme zu verringern. Diese Fangmethode ist der vom Menschen verursachte Hauptgrund für den Rückgang der Fischbestände. Tatsächlich werden unterdimensionale Exemplare, deren Verkauf verboten ist, sowie die jüngsten und fortpflanzungsfähigsten Exemplare in großer Zahl gefangen und getötet. Darüber hinaus schlagen die großen und gewichtigen Netze, die tief über den Meeresboden gezogen werden, Schneisen in die Lebensräume, in denen sich Fische normalerweise ernähren und vermehren.
Der letzten Endes angenommene Text ist das Ergebnis eines Kompromisses, der im Februar erzielt wurde, und zwar zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat – dem anderen Gesetzgebungsorgan der EU –, in dem die für bestimmte Bereiche (hier für die Fischerei) zuständigen nationalen Ministerien vertreten sind.
Ziel des Kommissionsvorschlags war es, die unterschiedlichen nationalen Vorschriften zu harmonisieren, um den Schutz der Fischbestände zu koordinieren und gleichzeitig identische Wettbewerbsbedingungen für die Fischer in Italien, Frankreich und Spanien zu gewährleisten.
Die vorgeschlagene Verordnung soll die erste und ziemlich veraltete EU-Mittelmeer-Verordnung von 2007, sowie die nationalen Maßnahmen ergänzen, die 2016 im Rahmen der Initiative MedFish4Ever ergriffen wurden.
Diese Initiativen haben sich positiv ausgewirkt: Der Anteil der überfischten Bestände sank um zehn Prozent, von 88 Prozent im Jahr 2014 auf 78 Prozent im Jahr 2016. Der jüngste Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der den Titel „Der Zustand der Mittelmeer- und Schwarzmeer-Fischerei“ trägt und Ende 2018 veröffentlicht wurde, ermahnt jedoch dazu, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Nachhaltigkeit der Fischbestände langfristig zu gewährleisten.
Ein Spiel der Lobbys
Der neue EU-Plan für den westlichen Mittelmeerraum soll als Reaktion auf diese Warnung dienen. Seine Wirksamkeit wurde jedoch durch Manöver hinter den Kulissen geschwächt, die von italienischen, französischen und spanischen Schleppnetzfischerei-Lobbys während des Entscheidungsprozesses organisiert wurden.
Ihre Strategie wurde im Rahmen des in Rom ansässigen Mittelmeerbeirats (MEDAC) koordiniert, einem von der EU finanzierten Beratungsgremium, das eine Vielzahl von sozioökonomischen Akteuren vereint, darunter industrielle und handwerkliche Fischer, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Verbraucher sowie Sport-/Freizeitverbände. Die Mission des MEDAC besteht darin, den EU-Institutionen Empfehlungen für die Fischereipolitik zu geben, die von allen seinen Mitgliedern abgesprochen wurden.
Trotz seiner Verpflichtung zur Unparteilichkeit spielte das MEDAC-Sekretariat eine aktive Rolle im Namen eines kontinentalen Wirtschaftstrios: Der italienischen Alleanza delle Cooperative, des französischen Comité national des pêches maritimes et des élevages marins und der spanischen Confederación Española de Pesca . Ende November 2018 erhielten wir Zugang zu einem Austausch, aus dem hervorgeht, dass die drei nationalen Verbände der Industriefischerei MEDAC-Mitarbeiter (und damit Steuergelder) für die Mitgestaltung einer an das Parlament gerichteten gemeinsamen Stellungnahme eingesetzt haben.
Anfang Dezember hat João Aguiar Machado, der Generaldirektor der für Fischereifragen zuständigen Dienststelle der Europäischen Kommission GD Mare , ein Schreiben an den MEDAC-Vorsitzenden Giampaolo Buonfiglio geschickt. Machado warnte Buonfiglio, dass ein solches Fehlverhalten nie wieder vorkommen sollte, ergriff aber keine konkreten Maßnahmen, und war mit den vom MEDAC-Vorsitzenden versprochenen und anschließend von allen Mitgliedern des Beratungsgremiums vereinbarten Verfahrensberichtigungen zufrieden.
Eine interessante Wendung in der Affäre: Buonfiglio ist auch Vorsitzender von Confcoopesca, der Fischereiabteilung der Alleanza Cooperative Italiane, die sich sowohl industriellen als auch handwerklichen Fischern anschließt und an den MEDAC-Versammlungen teilnimmt. „Die Vereinigung, die ich zusammen mit unseren französischen und spanischen Kollegen vertrete, nutzte die interne Kommunikation von MEDAC nur, um unsere gemeinsamen Anliegen zu teilen“, erklärte Buonfiglio. „Daraufhin haben wir unsere gemeinsame Erklärung über unsere jeweiligen Kanäle veröffentlicht, nicht als offizielle MEDAC-Empfehlung“. Am 26. November letzten Jahres landete die vom Trio unterzeichnete Botschaft in den Händen der EU-Abgeordneten und forderte sie auf, die Abstimmung am Vorabend der ersten Lesung zu verschieben. Am selben Tag schickte der spanische Industrieverband den vom MEDAC-Sekretariat im Namen der Lega Cooperative Italiane initiierten E-Mail-Austausch an die spanische Abgeordnete Clara Aguilera. Sie ist Mitglied der Sozialistischen Partei Spaniens und Referentin für den Plan des westlichen Mittelmeerraums im Fischereiausschuss. Am 27. November stimmte eine große parteiübergreifende Mehrheit im Ausschuss unter der Leitung der Volkspartei zu, die Akte bis auf die Zeit nach der Weihnachtspause zu verschieben.
Dies gab genügend Zeit, um Änderungsanträge auszuarbeiten, die den Forderungen der Industriefischerei nach weicheren Regeln entsprachen, und schließlich den Positionen der italienischen, französischen und spanischen Regierung im Rat entsprachen.
Groß gegen klein
Einer der EU-Abgeordneten, der diese Änderungsanträge nachdrücklich unterstützt hat, ist Rosa D’Amato von der italienischen Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung). Ihrer Meinung nach hätte der ursprüngliche Kommissionsvorschlag kleine Akteure vom Markt verdrängt. „Die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit der handwerklichen Fischerei kann und muss mit der ökologischen Nachhaltigkeit einhergehen“, erklärt D’Amato. Das Problem besteht darin, dass die entsprechenden EU-Rechtsvorschriften die kleine (oder handwerkliche) Fischerei nur dann berücksichtigen, wenn sie von Fischereifahrzeugen durchgeführt wird, die keine gezogenen Fanggeräte, einschließlich Schleppnetze, verwenden. Stattdessen zielt der Plan für den westlichen Mittelmeerraum darauf ab, nur die Fischerei-Tätigkeit zu regeln, die den Schleppnetzfang umfasst. Wofür sich D’Amato einsetzt, wenn sie von Kleinfischerei spricht, ist also in Wirklichkeit kleine Schleppnetzfischerei.
„Ohne entsprechende Einschränkungen ist selbst der kleine Schleppnetzfang keineswegs eine nachhaltige Technik, da er weder in Bezug auf Art noch Größe selektiv ist“, erläutert Nicolas Fournier, Politikberater bei Oceana Europe. „Im Gegensatz zu ihrem öffentlichen Diskurs verteidigen sowohl die italienische Industrie als auch Frau D’Amato und andere Mitglieder des Europäischen Parlaments die kommerziellen Schleppnetzfischerei-Flotten, und zwar auf Kosten nachhaltigerer handwerklicher Fischer, deren Interessen in keinem der vorgeschlagenen Änderungsanträge vertreten sind“. Ein Bericht der FAO bestätigt, dass der kleine Fischereisektor, in dem die meisten Fischer beschäftigt sind, die wenigsten Umweltschäden verursacht. Einige Wissenschaftler argumentieren jedoch, dass Tausende von kleinen handwerklichen und der Erholung dienenden Schiffen größere Auswirkungen auf das Ökosystem haben könnten als einige wenige große Fischtrawler, die daher auch reguliert werden sollten.
Empört über die institutionellen Manipulationen zugunsten von Lobbygruppen beschloss Oceana, seine Mitgliedschaft im MEDAC Ende März zu beenden. „Die Bemühungen, die Kontrolle im Mittelmeerraum durch dieses Gremium zu verbessern, haben sich als sinnlos erwiesen“, meint Fournier. „Der jüngste Missbrauch war nur der letzte Tropfen einer Reihe von Störungen: Es gibt keine externe Überprüfung, die Fehlverhalten verhindern könnte, und die Meinungen von Minderheiten werden in dem von der MEDAC-Versammlung angenommenen Gutachten, in dem die Vertreter der Industriefischerei die Mehrheit der Stimmen haben, nicht vollumfänglich berücksichtigt“. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das 2017 veröffentlichte MEDAC-Gutachten bezüglich der für den westlichen Mittelmeerraum vorgeschlagenen Beschränkungen für den Schleppnetzfang absichtlich vorsichtig war, was die unterschiedlichen Ansichten der verschiedenen Interessengruppen deutlich macht.
Trotz seiner Enttäuschung ermutigte Oceana die Abgeordneten des Europäischen Parlaments dazu, die endgültige Version des Plans für das westliche Mittelmeer zu billigen, da sie ihn für eine bessere Option als überhaupt keinen Plan hält. Fournier besteht jedoch weiterhin darauf, dass „die vom Rat und vom Parlament hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Änderungen das im Verwaltungsplan festgelegte Nachhaltigkeitsziel gefährden”.
Die Branche verfolgt einen pragmatischen Ansatz. „Wir sind uns bewusst, dass wir die Fischereiressourcen zu unserem eigenen Nutzen erhalten müssen. Und in der Tat beklagen sich unsere Flotten darüber, dass einige Bestände in einigen Gebieten offensichtlich überfischt werden“, sagte Buonfiglio. „Bevor wir jedoch zu drastischeren Beschränkungen übergehen, müssen wir die Ergebnisse des mehrjährigen Bewirtschaftungsplans bewerten und nachweisen, dass die bestehenden Maßnahmen wirkungslos sind und dass der einzige Weg zum Schutz der Fischbestände darin besteht, die Fangtätigkeit und die Verwendung von Grundschleppnetzen immer weiter zu vermindern”.
Ein gut gemeinter, aber falscher Plan
Der zentrale Streitpunkt betrifft in der Tat den technisch gesehen „Fischereiaufwand“. Diese Maßnahme definiert die Anzahl der Tage, die jedes Schleppnetzschiff in einem ganzen Jahr auf See verbringen darf. Wissenschaftler sagen: Um die Fischbestände zu retten, müssen die Fischer auf Trawlern ihre Fangzeit drosseln. In Übereinstimmung mit diesem Grundsatz schlug die Kommission vor, der Rat solle die Fischereitätigkeit jedes Jahr auf der Grundlage des Gutachtens des Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschusses für Fischerei (STECF) verringern, einem unabhängigen Organ, dessen Mitglieder von der Kommission selbst ernannt werden. Der STECF hat die Aufgabe, für jedes der acht geographischen Teilgebiete, in die das westliche Mittelmeer von der FAO General Fisheries Commission For the Mediterranean unterteilt wurde, eine spezifische Aufwandsreduzierung zu empfehlen.
Diese wissenschaftsgestützte Handhabung ist theoretisch fundiert. Aber die Realität wird wahrscheinlich anders aussehen. Tatsächlich begrenzt die endgültige Vereinbarung bereits die Aufwandsreduzierungs-Spielräume: Unabhängig von der Strenge der STECF-Empfehlungen darf die Anzahl der Tage auf See im ersten Jahr der Umsetzung des Plans (2020) nicht niedriger sein als zehn Prozent der Tage, die im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 31. Dezember 2017 erfasst wurden. Und in den darauffolgenden vier Jahren (2021-2024) darf die Reduktionsrate nicht die 30-Prozent-Marke überschreiten. „Die maximal mögliche Aufwandsreduzierung über alle fünf Jahre beträgt daher 40 Prozent, was möglicherweise nicht ausreicht, um einen weiteren Rückgang der am stärksten überfischten Bestände zu verhindern“, erklärt Fournier. „Es gibt also keine Garantie dafür, dass innerhalb der im Plan festgelegten Frist 2025 ein nachhaltiges Fangniveau erreicht wird“.
Clara Ulrich, Professorin für Fischereiverwaltung am Dänischen Nationalen Institut für Meeressourcen und Vorsitzende der STECF-Arbeitsgruppen zur Unterstützung des westlichen Mittelmeerplans, bleibt dennoch ein wenig optimistisch: „Der Erfolg des Plans hängt davon ab, wie schnell die Sterblichkeit der Fischbestände sinken wird, und ob sich die Regierungen nach 2024 verpflichten werden, die Fangtätigkeit auf das Niveau der am stärksten befischten Bestände – den Seehecht – zu senken, was eine zusätzliche Senkung um bis zu 50 Prozent bis 2025 bedeutet, wie es der Plan vorsieht“.
Ihr zufolge „stellt der aktuelle Plan einen Kompromiss zwischen dem dar, was erforderlich ist, um Nachhaltigkeit für die verschiedenen Arten zu erreichen, und dem, was für die drei Mitgliedsstaaten (Italien, Spanien und Frankreich) kurzfristig politisch akzeptabel ist“.
Enrico Brivio, der Sprecher der Europäischen Kommission für die Fischerei, ist seinerseits vorhersehbar diplomatisch: „Das Abkommen scheint einen breiten Konsens von Mitgliedstaaten, Industrie und sogar Nichtregierungsorganisationen darzustellen, und dafür zu sorgen, dass wir die Situation der Fischbestände und -aktivitäten bei künftigen Folgenabschätzungen ständig überprüfen“.
Allerdings besteht die Gefahr, dass die Änderungsanträge die Verringerung der Fangtage teilweise aufheben, indem sie mehr Stunden pro Tag zulassen. Tatsächlich wurde die maximal zulässige tägliche Fangzeit von 12 Stunden, wie von der Kommission vorgeschlagen, auf 15 Stunden und bis zu 18 Stunden erhöht, wenn Ausnahmeregelungen auf nationaler Ebene genehmigt werden. „Wir wissen, dass die Mitgliedstaaten 18 Stunden für einen großen Teil der Flotte automatisch gewähren werden, vor allem zum Ausgleich der geringeren Anzahl von Tagen“, meint Fournier. „Diese Maßnahme wäre sinnvoll gewesen, wenn das Schleppnetzverbot von der derzeitigen 50-Meter-Grenze auf 100 Meter Tiefe erweitert worden wäre, wie von der Kommission vorgeschlagen, und die Schiffe länger fahren müssten, um Fanggebiete zu erreichen“. Der geänderte Plan macht das 100-Meter-Verbot jedoch nur innerhalb von sechs Seemeilen von der Küste verbindlich: Darüber hinaus können Trawler auch in flachen Gewässern weiterfischen. „Da der Schleppnetzfang bereits innerhalb von drei Meilen durch frühere Gesetze verboten war, bedeutet dies, dass die neuen Vorschriften jede Flotte im Durchschnitt nur drei Seemeilen (ca. 11 km) weiter vor die Küste bringen werden“, sagt Fournier. „Diese kurze zusätzliche Entfernung rechtfertigt nicht die zusätzlichen sechs Stunden Fischen“.
Die Kommission schlug vor, das 100-Meter-Verbot jedes Jahr zwischen Mai und Juli durchzusetzen, dem Zeitraum, in dem die am stärksten gefährdeten Arten ihre erwachsene Population vermehren oder vergrößern. Leider fällt diese Zeit mit der Sommersaison zusammen, in der Touristen Fischrestaurants an der Küste überfluten und die Nachfrage nach Fisch ihren Höhepunkt erreicht. Kein Wunder also, dass der endgültige Text jeder Regierung die Möglichkeit gibt, den Sperrzeitraum zu wählen, obwohl dieser auf maximal drei Monate pro Jahr begrenzt ist.
„Wir bestanden darauf, das Verbot das ganze Jahr über auf 100 Meter oder acht Meilen vom Ufer entfernt auszudehnen, aber unser Vorschlag wurde nicht angenommen“, erklärt Iuri Peri, Projektmanager für Italien mit Low Impact Fishers of Europe (LIFE), einer Plattform, die handwerkliche Fischer im gesamten Mittelmeer vertritt. LIFE zielte darauf ab, Trawler von größeren Küstengebieten auszuschließen, in denen kleine Fischer einen Teil ihres rückläufigen Geschäfts hätten retten können.
Die mögliche Unzulänglichkeit des Plans des westlichen Mittelmeerraums, vor allem aus ökologischer Sicht, wird im nächsten Teil dieser Serie diskutiert.
https://voxeurop.eu/cs/2019/fishing-mediterranean-5122877