Bessere Daten können Gewalt gegen Frauen verhindern
Zwischen den nord- und osteuropäischen Ländern gibt es einerseits große kulturelle Unterschiede, andererseits mangelt es an einer standardisierten Berichterstattung. Beides erschwert die Bemühungen um eine wirksame Reaktion gegen geschlechtsspezifische Gewalt.
Bessere Daten können Gewalt gegen Frauen verhindern
Zwischen den nord- und osteuropäischen Ländern gibt es einerseits große kulturelle Unterschiede, andererseits mangelt es an einer standardisierten Berichterstattung. Beides erschwert die Bemühungen um eine wirksame Reaktion gegen geschlechtsspezifische Gewalt.
Nordeuropäische Länder berichten tendenziell über eine höhere Rate an Gewalt gegenüber Frauen als süd- oder osteuropäische Länder. Nach den jüngsten Eurostat-Zahlen verzeichneten Norwegen, das Vereinigte Königreich und Österreich 2016 im Vergleich zu 2010 den stärksten Anstieg der Zahl der Vergewaltigungsfälle oder sexueller Übergriffe pro 100.000 Einwohner.
Diese Zahlen sollten jedoch mit Vorsicht interpretiert werden.
Die Direktorin des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE), Therese Murphy, erklärte gegenüber EDJNet, dass „Länder, in denen das Vertrauen in Institutionen hoch ist, gleichermaßen mehr [Fälle] von Gewalt [gegen Frauen] melden“. Gebildetere Gesellschaften, in denen das Bewusstsein für Geschlechterfragen deutlich größer ist, neigen auch dazu, häufiger Fälle von Gewalt gegenüber Intimpartnern zu melden als solche Gesellschaften, in denen die Menschen „nicht von [Aggression gegenüber Frauen] sprechen und bestimmte Gewaltniveaus sogar akzeptiert werden“, erläuterte Murphy.
Eine im Jahr 2014 von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte durchgeführte Umfrage ergab, dass ein Drittel der 42.000 befragten Frauen in den 28 Staaten seit dem Alter von 15 Jahren unter körperlicher und/oder sexueller Gewalt gelitten hat. Zudem gaben 14 Prozent der Frauen an, dass sie der Polizei nur den schwerwiegendsten Vorfall von Gewalt in der Partnerschaft gemeldet haben.
Will man das Ausmaß des Problems aber wirklich messen, stellt die nicht-gemeldete geschlechtsspezifische Gewalt allerdings nur eines der Hindernisse dar. Darüber hinaus erschwert der Mangel an präzisen, umfangreichen und standardisierten Daten aus der gesamten Europäischen Union die Entwicklung einer wirksamen und effizienten Strategie zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.
Um „die Ressourcen zu schätzen, die zur Lösung [des Problems] benötigt werden, muss dieses messbar sein“, erklärt Therese Murphy, und fügt hinzu: „Und das ist einer der Hauptgründe dafür, dass sich das EIGE Strategic Framework 2015-2018 auf die Datenerhebung konzentriert.“
„Wir versuchen, das Wissen und Verständnis darüber zu verbessern, wie verbreitet [geschlechtsspezifische Gewalt] tatsächlich ist und welche Art von Rechtsmitteln“ angewendet werden sollten, um diese zu beseitigen, erläuterte Murphy.
Das EIGE arbeitet mit den Polizei-, Justiz- und Statistik-Behörden der 28 Mitgliedstaaten zusammen, um die Regeln und Verfahren zu standardisieren und zu harmonisieren. Ziel ist es, die Probleme zu lösen, welche durch die verschiedenartigen Datenerfassungsmethoden der einzelnen Länder, die unterschiedlichen Rechtssysteme und kulturelle Probleme verursacht werden.
„Wenn die Mitgliedstaaten die Daten für die von uns vorgeschlagenen Indikatoren und in der von uns vorgeschlagenen Weise sammeln, können wir sie anschließend vergleichen“, erklärte der Verwaltungsleiter des EIGE. Der Zeitrahmen für die Erreichung ihres Ziels ist jedoch schwer abzuschätzen und hängt von den einzelnen Ländern ab.
Während die ehemaligen Sowjetländer und andere neue Mitgliedstaaten den längsten Weg noch vor sich haben, stehen laut Murphy auch Länder wie Spanien und Italien „trotz enormer Anstrengungen“ vor einer „großen Herausforderung“. Grund hierfür ist der finanzielle Druck.
Ferner betonte Murphy auch, wie wichtig es sei, die Länder zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention zu bewegen, d. h. dem Übereinkommen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Diese Vereinbarung zwingt die Mitglieder, ihre Gesetzgebung zu ändern, Dienstleistungen anzubieten und Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen zu ergreifen, sowie Fortschritte zu beobachten, und Erfolge zu bewerten.
Nach Angaben des Europarates sind Irland, das Vereinigte Königreich, Lettland, Litauen, Bulgarien, die Tschechische Republik und die Slowakei seit November 2018 die europäischen Länder, welche die Istanbul-Konvention zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert haben.