Auswirkungen des Brexit auf den Studienaustausch
Sowohl die EU als auch das Vereinigte Königreich behaupten, sie hätten „entscheidende Schritte“ für die Übergangszeit nach dem Brexit unternommen. Dennoch besteht nach wie vor große Unsicherheit über die Zukunft der britischen Teilnahme am europäischen Austauschprogramm Erasmus, insbesondere für die Zeit nach 2020.
Auswirkungen des Brexit auf den Studienaustausch
Sowohl die EU als auch das Vereinigte Königreich behaupten, sie hätten „entscheidende Schritte“ für die Übergangszeit nach dem Brexit unternommen. Dennoch besteht nach wie vor große Unsicherheit über die Zukunft der britischen Teilnahme am europäischen Austauschprogramm Erasmus, insbesondere für die Zeit nach 2020.
Die EU und das Vereinigte Königreich haben in der vergangenen Woche „entscheidende Schritte“ angekündigt. Wie EU-Verhandlungsführer Michel Barnier erklärte, wurde die Übergangsfrist auf den 31. Dezember 2020 festgelegt. Aber „wir sind längst nicht am Ende angekommen“, warnte Barnier. Es bleibt noch viel Arbeit.
Themen wie die irische Grenze, der Warenverkehr oder die Beteiligung Großbritanniens an Euratom, Europol, Eurojust, müssen noch diskutiert werden berichtet EUobserver . Auf der Liste stehen ebenfalls die erfolgreichen Forschungs- und Bildungsprogramme wie Horizont 2020 und Erasmus+.
„Wir können nicht über mögliche Zukunftsszenarien spekulieren“, erklärt die britische Nationalagentur Erasmus +. „Aber offensichtlich will die Regierung, dass sich das Vereinigte Königreich auch in Zukunft an einigen EU-Programmen zur ‚Förderung von Wissenschaft, Bildung und Kultur‘ beteiligt“.
In dem Dokument über die Finanzabwicklung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU heißt es , dass Großbritannien „als Nicht-Mitgliedstaat nach 2020 möglicherweise an einigen Haushaltsprogrammen des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) teilnehmen möchte“. Und Erasmus+ wird über den MFR finanziert.
Allerdings fordert der britische Labour-Abgeordnete, Rory Palmer, von den britischen Behörden mehr Maßnahmen, um „einen Weg zu finden, die Rechte junger Menschen zu schützen“. „Bisher hat die britische Regierung warme Worte, aber wenig Klarheit geboten“, erklärt er gegenüber EDJNet, „und das bedeutet, dass junge Menschen im Unklaren gelassen werden“. „Die Unsicherheit bezüglich der Teilnahme des Vereinigten Königreichs an Erasmus betrifft junge Menschen, die ihr Studium planen und nicht wissen, ob sie die gleichen Chancen haben wie frühere Generationen“, so Palmer.
„Eine Einigung über die Beibehaltung von Erasmus könnte ein sehr einfacher Sieg sein, der den Weg für komplexere Verhandlungen frei machen würde“, meint der geschäftsführende Direktor der European University Foundation, João Bacelar. Und „selbst die britischen Politiker, die ganz entschieden für den Brexit sind, meinen, dass eine solche Zusammenarbeit aufrechterhalten werden sollte“, fügt der Präsident der European Association for International Education, Markus Laitinen, hinzu.
Aber in Europa „gilt nichts als vereinbart, bis alles vereinbart ist“, warnte Michel Barnier bei der Ankündigung der Übergangsphase. Und selbst wenn eine Einigung erzielt würde, wird es nach Dezember 2020 ein neues Erasmus-Programm geben. „Sämtliche Vereinbarungen hätten also sowieso neu verhandelt werden müssen“, erklärt Laitinen gegenüber EDJNet.
Frankreich, Dänemark und Malta, die höchsten „britischen Zuverlässigkeiten“
Nach Spanien und Deutschland ist Großbritannien das drittbeliebteste Land im Erasmus-Programm. Im Jahr 2015 hat das Land fast 64 000 Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter aufgenommen, die Hälfte davon aus Frankreich, Deutschland und Spanien. Das geht aus dem letzten Erasmus+-Jahresbericht hervor .
Diese drei Länder sind auch die beliebtesten bei den Briten. Im Rahmen des Erasmus-Programms gingen im Jahr 2015 mehr als 26 600 Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter ins Ausland.
Wenn man die Zahlen nach Ländern aufschlüsselt, stellt man allerdings fest, dass einige europäische Partner eine engere Verbindung zum Vereinigten Königreich unterhalten als andere. Frankreich führt die Gruppe mit dem höchsten Anteil (14 Prozent) an britischen Studierenden und Wissenschaftlern, die im Rahmen des Erasmus+-Programms in seinen Einrichtungen lernen und forschen.
Diese drei Länder sind auch die beliebtesten bei den Briten. Im Rahmen des Erasmus-Programms gingen im Jahr 2015 mehr als 26.600 Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter ins Ausland.
Die Niederlande, Italien und Spanien stehen ebenfalls auf der Liste des ausgebildeten Schulpersonals. Von dem im Erasmus-Rahmen ins Ausland entsandten Schulpersonal gingen jeweils 74 Prozent, 39,5 Prozent bzw. 37,8 Prozent nach Großbritannien. Das Vereinigte Königreich ist in der Tat das wichtigste Zielland für die Ausbildung von Schul- und Berufsbildungspersonals im Ausland.
Würde es zu einem Ausstieg Großbritanniens ohne Abkommen kommen, hätte dies Konsequenzen für beide Seiten des Verhandlungstisches. Allerdings wären die Auswirkungen unterschiedlich. „Der Verlust eines so angesehenen Partners wie Großbritannien freut uns sicher nicht, aber es ist nicht so, als ob dieser das Programm zum Stillstand bringen würde. Mit der Zeit wird sich schon alles finden“, meint João Bacelar, der auch eine „Zusammenarbeit mit vielen anderen englischsprachigen Ländern“ aufzeigt.
„Die Auswirkungen sind schwer abzuschätzen“, meint Markus Laitinen, da die Zukunft noch ungewiss ist. Seiner Meinung nach ist es möglich, dass „EU-Studenten befürchten, dass sie in Zukunft höhere Gebühren im Ausland zahlen müssen“.
Demgegenüber würde ein Brexit ohne ein Abkommen für Großbritannien bedeuten, dass es aus der Gruppe der 33 Programmländer ausscheiden muss. Dann könnte das Vereinigte Königreich nur noch unter dem Status „Partnerland“ am Erasmus-Programm teilnehmen, d. h. wie alle anderen Länder der Welt. Und für dieses Programm ist das Budget wesentlich geringer.
Fonds-Kürzung in britischen Institutionen
Nach Deutschland (11,8 Prozent), Italien (10,4 Prozent), Frankreich (9,7 Prozent) und Spanien (8,8 Prozent) war das Vereinigte Königreich 2017 das Land mit dem fünftgrößten Anteil am Erasmus+-Jahresbudget.
Im Zeitraum zwischen 2021 und 2027 wird das Programm weiter ausgebaut. Das Europäische Parlament will eine bessere Zukunftsplanung für das Mobilitätsprogramm. Einer seiner Vorschläge sieht die Verdopplung des Haushalts vor, der demnach von 14,7 auf 30 Milliarden Euro angehoben werden soll. Dem zweiten optimistischeren Vorschlag zufolge soll dieser mit 6 multipliziert werden, d. h. auf bis zu 90 Milliarden Euro anwachsen.
Hauptnutznießer werden die Hochschulen sein, welche die Hälfte der Erasmus+-Mittel erhalten. Im Jahr 2017 erhielten die britischen Hochschulen 67,5 Millionen Euro.
Höhere Institutionen stellen jedoch nur 16 Prozent der Erasmus-Bewerber im Vereinigten Königreich. Rund 40 Prozent von ihnen sind Schulen und Gymnasien, deren Mittel für Projekte der allgemeinen und beruflichen Bildung verwendet werden.
Internationale Partnerschaft und Mobilität „beeinflussen die Qualität der britischen Bildungs-, Ausbildungs- und Jugendhilfesysteme“, meint die britische Nationalagentur, und fügt hinzu: Darüber hinaus „verbessern sie die Chancen für sozioökonomisch benachteiligte Gruppen“, und bauen langfristige Beziehungen auf.
„Wir können nicht zulassen, dass der Brexit das gefährdet“, sagt der Europaabgeordnete Rory Palmer. „Schließlich haben viele junge Menschen nicht über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens abgestimmt, und es ist nicht fair, wenn ihre Rechte und Möglichkeiten beschnitten werden“. Dem stimmt João Bacelar zu. „Es wäre grausam, junge Menschen, die sich dem Brexit weitgehend widersetzt haben, für einen solchen Rückschlag zu bestrafen.“
„Die Zusammenarbeit im Bildungsbereich ist ebenso wichtig wie die Zusammenarbeit bei der Regulierung von Arzneimitteln. Wenn nicht sogar noch wichtiger“, warnt João Bacelar. „Bis 2020 sollte wirklich im Mittelpunkt stehen, wie unsere Kräfte vereint werden können, um sicherzustellen, dass Großbritannien Erasmus treu bleibt.“ Nur das wäre ein „klares Win-Win-Szenario“.