Antibiotika werden immer widerstandsfähiger
Die europäischen Gesundheitssysteme müssen sich dem Auftreten und der Vermehrung von Bakterien stellen, die gegenüber herkömmlichen Antibiotika behandlungsresistent sind. Dies gefährdet sowohl die Versorgungsqualität als auch die Gesundheitshaushalte in Europa.
Antibiotika werden immer widerstandsfähiger
Die europäischen Gesundheitssysteme müssen sich dem Auftreten und der Vermehrung von Bakterien stellen, die gegenüber herkömmlichen Antibiotika behandlungsresistent sind. Dies gefährdet sowohl die Versorgungsqualität als auch die Gesundheitshaushalte in Europa.
Antibiotika, die in der Human- und Veterinärmedizin weit verbreitet sind, erweisen sich als zentrales Element im Kampf gegen bakterielle Infektionen als immer weniger wirksam. Dies ist auf die Fähigkeit der Bakterien zurückzuführen, natürliche Abwehrmechanismen zu entwickeln, mit denen sie diesen Behandlungen standhalten. Dieses natürliche – mit dem Leben der Bakterien verbundene – Phänomen der Antibiotikaresistenz stellt für die europäischen und weltweiten Gesundheitssysteme eine große Herausforderung dar, zumal die internationalen Geschäfte die Verbreitung dieser gegen ein oder mehrere Antibiotika resistenten Bakterien fördern.
Eine in The Lancet veröffentlichte Studie schätzt die im Jahr 2015 in den Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums registrierten Fälle auf 671.689. Durch derartige Ansteckungen verursachte Infektionen forderten darüber hinaus 33.110 Todesfälle, davon 63,5 Prozent in Krankenhäusern und Gesundheitszentren. Laut derselben Studie sind die Auswirkungen dieser Phänomene auf die Lebensqualität der Europäer „mit den kombinierten Auswirkungen von Grippe, Tuberkulose und HIV vergleichbar“.
Die OECD ist der Ansicht, dass „sich der Anstieg der Antibiotika-Resistenzraten in der OECD und den 28 EU-Ländern wahrscheinlich verschärfen wird, wenn die Regierungen nicht entschlossener auf [diese] Bedrohung reagieren“. Für die Versorgungssysteme in der Europäischen Union werden die Mehrkosten dieser Infektionen auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt.
Diese Phänomene ziehen zudem auch Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung und die Behandlungsfähigkeiten von Infektionen nach sich, insbesondere im Fall von multiresistenten Keimen (oder multiresistenten Bakterien). Eine erhöhte Bakterien-Resistenz gegenüber Antibiotika-Behandlungen führt zu größeren Komplikationen und längeren Krankenhausaufenthalten, insbesondere für Menschen ab 65 Jahren und Kinder unter 1 Jahr.
Eine kontrastreiche Situation
Auf europäischer Ebene zeigen die Zahlen zahlreiche Unterschiede zwischen den Ländern, den Bakterienarten und den Antibiotika-Typen. Verschiedene ältere oder jüngere Phänomene sind beunruhigend. Zwischen 2007 und 2017 wurden die Stämme von Escherichia Coli, die insbesondere für Lebensmittelvergiftungen verantwortlich sind, oder Klebsiella Pneumoniae, die an Lungenentzündungen beteiligt sind, zunehmend resistent gegenüber Cephalosporine der dritten Gruppe. Eine erhöhte Resistenz gegenüber diesen Molekülen schränkt die therapeutischen Mittel erheblich ein, und zwingt die Ärzte, sogenannte „letzte-Instanz- Antibiotika“ wie Carbapeneme zu verschreiben.
Allerdings wurden bereits Resistenzen gegenüber diesen Molekülen registriert, insbesondere in Griechenland und Italien. Diese im übrigen Europa noch seltenen Erscheinungsformen können in therapeutische Sackgassen führen, insbesondere aufgrund mangelnder Alternativen, sowie des Auftretens von „Superbakterien“, die verschiedenen Antibiotika-Typen widerstehen.
Auf der anderen Seite entwickeln sich andere Phänomene positiv. Die Antibiotika-Resistenz des Staphylococcus aureus, der an Lebensmittelinfektionen, aber auch an vielen Nosokomial-Infektionen beteiligt ist, nimmt in den meisten europäischen Ländern ab oder stagniert. Laut dem Kontrollbericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) ist dieser Rückgang auf die Empfehlungs- und Präventionspolitik vieler Länder zurückzuführen. Trotz dieser positiven Entwicklung betont das ECDC, dass dieses Bakterium weiterhin überwacht werden muss, zumal es „nach wie vor ein wichtiger Krankheitserreger in Europa, und eine der schwerwiegendsten Ursachen für bakterielle Infektionen ist“.
Italien und Griechenland an vorderster Front
Laut OECD-Prognosen werden Italien, Griechenland und Portugal im Vergleich zu allen anderen Mitgliedstaaten bis 2050 „die höchsten Sterblichkeitsraten aufgrund Antibiotika-Resistenzen aufweisen“. Der übermäßige Verbrauch von Antibiotika und insbesondere deren unsachgemäße Verwendung fördern das Entstehen dieser widerstandsfähigen Bakterien. Zu diesen Praktiken gehören insbesondere eine falsche (über- oder unterbewertete) Dosierung, sowie zu lange – oder im Gegenteil – zu kurze Behandlungen.
Für Italien stellt das ECDC in seinem Bericht über die landesweite Situation im Jahr 2017 beispielsweise fest, dass „ein erheblicher Teil der Antibiotika im Rahmen von Virusinfektionen eingenommen wird, die so üblich sind wie Schnupfen, Grippe oder Halsschmerzen“, und nicht aufgrund von tatsächlichen bakteriellen Infektionen. Darüber hinaus liegt der Anteil der Italiener, die wissen, dass Antibiotika gegen Viren unwirksam sind, „unter dem EU-Durchschnitt“. Ferner weist das ECDC auch auf Schwächen hin, wie z.B. „mangelnde institutionelle Unterstützung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene“, „mangelnde Koordination zwischen den verschiedenen Ebenen“, oder „die Tendenz einiger Interessengruppen, die Behandlung des Problems zu vermeiden“.
Als Reaktion auf diese Situation sind die Autoren der Lancet-Studie der Meinung, dass Bekämpfungspläne auf mehreren Ebenen definiert werden müssen. Sie „fordern eine Verständigung zwischen der EU/dem EWR und dem Rest der Welt, sowie Kampagnen, die an die Herausforderungen in den verschiedenen Staaten angepasst sind“. Mehrere Länder, darunter Italien und Griechenland, haben nationale Aktionspläne zur Bekämpfung der Ausbreitung dieser Phänomene aufgestellt. Europa und andere Mitgliedstaaten haben ebenfalls Aktionspläne aufgestellt, um bessere Hygienemaßnahmen festzulegen, einen vernünftigeren Einsatz von Antibiotika zu fördern, und so die Vermehrung resistenter Bakterien zu begrenzen.