Warum die Integration keinen schritt vorankommt
Beschäftigung, Unterkunft, Schule, Gleichstellung: Im Wesentlichen wird die Integration der Einwanderer in Europa durch diese Komponenten erreicht. Allerdings geht hierbei viel schief, was diesen notwendigen Prozess manchmal gefährdet, stellt die OECD in einem kürzlich erschienenen Bericht fest. Frankreich gehört zu den Ländern mit den schlechtesten Ergebnissen.
Warum die Integration keinen schritt vorankommt
Beschäftigung, Unterkunft, Schule, Gleichstellung: Im Wesentlichen wird die Integration der Einwanderer in Europa durch diese Komponenten erreicht. Allerdings geht hierbei viel schief, was diesen notwendigen Prozess manchmal gefährdet, stellt die OECD in einem kürzlich erschienenen Bericht fest. Frankreich gehört zu den Ländern mit den schlechtesten Ergebnissen.
„Die derzeitige Konzentration auf die Zahl der Neuankömmlinge sollte die historische Präsenz von Migranten und ihren Kindern, die sich seit Jahren eingerichtet haben, nicht verdrängen“, bekräftigt die OECD in einem aktuellen Bericht , der eine vergleichende Bewertung der seit 2007 in der Europäischen Union verfolgten Integrationspolitik liefert. Während sich diese in letzter Zeit insgesamt verbessert zu haben scheint, „bleibt noch viel zu tun, um allen Migranten zu helfen, sich wirtschaftlich und sozial in ihre Aufnahme-Gesellschaften zu integrieren“, betont der Generalsekretär der Institution, Angel Gurría, und fügt hinzu: “So soll sichergestellt werden, dass die zugewanderten Migranten sich auch angemessen „zurechtfinden“ können.”
Diesbezüglich liegt Emmanuel Macron richtig: Die französische Integrationspolitik ist schwach. „Die Integrations-Ergebnisse Frankreichs werden seinen Herausforderungen und denen der anderen großen OECD-Einwanderungsländer keinesfalls gerecht. Die jüngsten Reformen werden Zeit brauchen, um Früchte zu tragen und einige Probleme ungelöst lassen. Beispielsweise die berufliche Eingliederung von Neuankömmlingen und die sozioökonomische Integration der Nachkommen von Einwanderern“, erklärt Jean-Christophe Dumont, Leiter der Abteilung für Internationale Migration der OECD.
Unsichere Beschäftigung
In der Europäischen Union (EU) sind fast 68 Prozent der einheimischen Arbeitnehmer beschäftigt, verglichen mit nur 64 Prozent der Einwanderer. Insbesondere in Frankreich liegt die Beschäftigungsquote der Einwanderer nur bei 57 Prozent gegenüber 66 Prozent für die einheimische Bevölkerung. Das ist ein Unterschied von fast 10 Punkten, der deutlich höher ist als jener zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen auf EU-Ebene. Ferner haben die europäischen Einwanderer vom Wiederaufschwung weniger profitiert als die einheimische Bevölkerung, insbesondere in den südlichen Ländern (Griechenland, Spanien, Italien), wo die Migranten geringfügiger qualifiziert sind.
Und selbst für Einwanderer, die eine Beschäftigung haben, ist die Situation alles andere als rosig. „Ihnen gelingt es oft nicht, aus ihrem insgesamt höheren Bildungsniveau – im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung – bessere Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt auszuhandeln“, fasst der OECD-Bericht zusammen. In Europa sind beispielsweise mehr als ein Drittel der Einwanderer mit Sekundarschulabschluss in Berufen tätig, für die sie überqualifiziert sind. Das sind 13 Prozentpunkte mehr als bei der einheimischen Bevölkerung. Zudem steigt dieser Anteil seit der Krise. „Frankreich liegt zwar gewiss im Durchschnitt, aber angesichts des großen Anteils französischsprachiger Einwanderer – die daher keine Sprachbarriere zu überwinden haben –, müssen die Ergebnisse eindeutig relativiert werden“, betont Jean-Christophe Dumont.
Neben einer schlechten Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse und Ausbildungen (insbesondere für reglementierte und technische Berufe) verdeutlicht diese hohe Herabstufungs-Rate auch die Vorrangstellung der Netzwerke bei der Erlangung von qualifizierten Arbeitsplätzen. (Für Frankreich vergegenständlicht dies eine im vergangenen Jahr von der Arbeitsagentur Pôle emploi durchgeführte Studie ). All das erschwert Einwanderern die Situation. Dies führt natürlich zu einer geschwächten finanziellen Situation. Innerhalb der EU ist das Medianeinkommen der Einwanderer 10 Prozent niedriger als das der einheimischen Bevölkerung. Ferner sind Migranten im untersten Einkommens-Segment (18 Prozent) überrepräsentiert, was es diesem Teil der Bevölkerung noch schwerer macht, angemessen zu leben und zu wohnen.
Räumliche Trennung
In einer im Sommer 2018 veröffentlichten Studie über die Entwicklung der räumlichen Segregation zwischen Einwanderungsgenerationen zeigt die amerikanische Forscherin Haley McAvay, dass 30 Prozent der Einwanderer zwischen Kindheit und Erwachsenenalter in Bezug auf die Arbeitslosenquote ähnlichen Bedingungen ausgesetzt sind (und 40 Prozent in Bezug auf die ethnische Zusammensetzung). „Das Andauern dieses Nachteils ist für Einwanderer außerhalb der EU noch ausgeprägter“, betont die Akademikerin. Von den afrikanischen oder asiatischen bzw. türkischen Einwanderer leben 63 Prozent und 69 Prozent während ihres Übergangs zum Erwachsenenalter in einer Umgebung mit einem starken Migrantenanteil.
Das Wohnumfeld der Einwanderer der ersten und zweiten Generation ist somit stabiler als das der französischen einheimischen Bevölkerung. Folglich ist ihre gesellschaftliche Mobilität eingeschränkt. Dies ist zum Teil auf den Wunsch der Neuankömmlinge zurückzuführen, in der unmittelbaren Nähe ihrer Diaspora zu bleiben, um von einem Netzwerk der gegenseitigen Hilfe zu profitieren. Aber das ist nicht der einzige Grund. Schließlich gibt es auch zahlreiche diskriminierende Praktiken – insbesondere bei der Vergabe von Sozialwohnungen –, welche die Chancen auf soziale Mobilität beeinträchtigen. „Die Tendenz, vorrangig in den gleichen Stadtteilen zu bleiben, ist in Frankreich besonders hoch, da das Ausmaß der wahrgenommenen Diskriminierung groß ist und rassistische Praktiken weit verbreitet sind“, unterstreicht Haley McAvay.
Tatsächlich fühlen sich 16 Prozent der Einwanderer der ersten Generation in der Europäischen Union einer Gruppe angehörig, die aufgrund ihrer Rasse, Kultur oder Hautfarbe diskriminiert wird. In Frankreich beträgt dieser Anteil fast ein Viertel. Für Einwanderer der zweiten Generation erreichen diese Prozentsätze 20 Prozent bzw. 29 Prozent in Frankreich.
Im französischen Fall ist die Zunahme der Diskriminierung zwischen der ersten und der zweiten Generation weitgehend auf die Ungleichheit des Bildungssystems zurückzuführen, welches die sozialen und migratorischen Ungerechtigkeiten unter Schülern keinesfalls abbaut, sondern tendenziell noch verstärkt. Wie der Nationale Rat für die Bewertung des Schulsystems (Conseil national d’évaluation du système scolaire (Cnesco) ) bestätigt, wird diese Schwäche des französischen Bildungssystems auch häufig in der Pisa-Studie der OECD angeprangert.
Gefährdete Bevölkerungsgruppen
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten der OECD ist das Schicksal von Frauen mit Migrationshintergrund, für welche die Kluft zu ihren einheimischen Kollegen (insbesondere in Bezug auf die Beschäftigung) besonders groß ist, während Männer sich ihnen eher annähern. „In allen Ländern der Europäischen Union ist die Beschäftigungsquote von einheimischen und zugewanderten Männern gleichwertig (72,6 Prozent), während diejenige von eingewanderten Frauen viel niedriger ist als die Beschäftigungsquote von einheimischen Frauen (57 Prozent gegenüber 63 Prozent)“, erläutert Jean-Christophe Dumont. In Frankreich ist dieser Unterschied noch größer, denn nur 49 Prozent der Migrantinnen sind erwerbstätig, verglichen mit 63 Prozent der in Frankreich geborenen Frauen.
Während die nordischen Länder (Finnland, Dänemark, Schweden usw.) von vornherein zu den „guten Schülern“ der Integration von Einwanderern in den Arbeitsmarkt gehören (ihre Beschäftigungsquoten liegen bei 52, 58 bzw. 62 Prozent), ist es wichtig, daran zu erinnern, dass „die Bedingungen der in diesen Ländern geborenen Frauen mit Beschäftigungsquoten von über 70 Prozent auch günstiger sind als für den Durchschnitt. Dies relativiert ihre Leistung im Hinblick auf den Abbau der Ungleichheiten zwischen Einwanderern und Einheimischen“, meint Jean-Christophe Dumont.
In Frankreich oder anderswo ist die Notwendigkeit, die geschlechtsspezifische Kluft (gender gap) innerhalb der eingewanderten Bevölkerung zu verringern, demnach eine der wichtigsten Empfehlungen der Institution. In einem zweiten, Mitte Januar veröffentlichten Bericht hat die OECD auf diesen Punkt bestanden. Darin konzentrierte sie sich auf schutzbedürftige Einwanderergruppen wie Frauen und unbegleitete Minderjährige (ein Thema, das wir bereits im Januar 2017 behnadelt haben ).